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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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respektiert und bewundert. Er sollte die sechs Pfund abnehmen.
    Herr Shaker war untersetzt und hatte nicht das aristokratische Erscheinungsbild eines Mason Lord. Die Natur hatte ihn bei knappen ein Meter siebzig abgeschnitten. Aber er war ein sportlicher kleiner Mann, durchtrainiert und schlank. Er kleidete sich sehr gut, meist Maßgeschneidertes von Savile Row. Doch er verfluchte seine dunkle Hautfarbe und seine flachen, schwarzen Augen, die ihm das Aussehen eines Terroristen aus dem Mittleren Osten verliehen. Oder eines religiösen Fundamentalisten, mit seinem Fünf-Uhr-Bart, der bereits am frühen Morgen zu sprießen begann. Um der Wahrheit gerecht zu werden, ähnelte er aufs Haar dem Hollywood-Stereotyp dessen, was er tatsächlich auch war: der
    Chef eines kriminellen Unternehmens. Der Mann besaß mehr Frauen, als er vernünftigerweise sich halten konnte. Murdock mutmaßte, dass es die Gefahr war, weswegen sich die Frauen von ihm angezogen fühlten. Trotz seiner geringen Größe vermittelte Shaker einen gefährlichen Eindruck. Er hatte gehört, dass Shaker es in der vergangenen Nacht zwei Frauen besorgt hatte. Dabei war er achtundfünfzig Jahre alt. Unglaublich.
    >Besorgt hatte<, dieser Ausdruck gefiel Murdock. Er selbst hätte Frauen auch gerne auf die Art und Weise bedient, wie Herr Shaker es konnte. Wenn er die sechs Pfund abnehmen würde, würden sie ihn vielleicht auch etwas mehr bedrängen, so wie sie es in Deutschland getan hatten. Natürlich hatten sie ihn nur dazu benutzen wollen, um Louey Santera nahe zu kommen, die verdammten Schleimer.
    »Doch, er glaubt an Fehler und Vergehen«, entgegnete Rule Shaker. »Nur eben nicht an seine eigenen. Aber warten wir es ab. Richte Rudy aus, er soll sich in Bereitschaft halten. Jetzt jedenfalls ist es an der Zeit, Melissas Asche auszustreuen.«
    »Entspricht das ihrem Wunsch, Sir?«
    »Melissa war dreiundzwanzig«, erwiderte Rule Shaker. »Sie wusste noch nicht einmal, dass so etwas wie der Tod überhaupt existiert.«

30
    Sechs Leibwächter arbeiteten rund um die Uhr in drei Schichten. Ein Mann war ständig in Mason Lords Krankenzimmer, ein zweiter vor der Tür. Mason Lord traute der Polizei nicht zu, ihn wirklich abzusichern.
    An Detektiv O’Connor gewandt, sagte er: »Wenn ich jemanden nicht bezahle, kann ich auch nicht sicher sein, dass er wirklich für mich arbeitet.«
    »Mir soll’s recht sein«, erwiderte Detektiv O’Connor. »Das spart dem Steuerzahler Geld. Wie gemeinhin bekannt, ist das in Chicago wirklich ein Segen.«
    Den meisten Zeitungen wurde die Sache bald zu langweilig, und sie gaben auf. Lediglich ein paar Paparazzi, die sich Hoffnung auf ein Bild von Mason Lord machten, blieben in Erwartung eines heißen Schnappschusses zurück. Sie ähnelten einer Heuschreckenplage, nur waren sie nicht ganz so harmlos, wie sich einer der Leute aus der Krankenhausverwaltung ausgedrückt hatte. Vor dem Lord’schen Anwesen harrten sie ebenfalls der Dinge. Einem von ihnen war es gelungen, ein Foto von Emma im Schatten eines Rhododendronbusches auf dem Grundstück zu machen, auf dem sie Klavier spielte. Es war aus einiger Entfernung aufgenommen und durch die Vergrößerung leicht verschwommen, doch Emma war eindeutig zu erkennen. Sie war als Enkelin des Gangsterlords betitelt worden.
    Als Mason Lord das Foto sah, bemerkte er leise zu Günther: »Wie schlau sie doch das Wortspiel handhaben. Ist das nicht merkwürdig? Es ist dieses Foto hier, das für mich das Fass zum Überlaufen gebracht und meine Indifferenz ausgeräumt hat. Machen Sie den Namen des Paparazzo ausfindig, der dieses Foto geschossen hat.«
    Kurz nach dem Mittagessen an jenem Tag trat Eve Lord aus dem Wohnzimmer in die große Eingangshalle und hörte, wie Ramsey Molly gegenüber bemerkte: »Es gibt keinen Grund, noch länger zu bleiben. Dein Vater hat das Schlimmste überstanden. Wir alle wissen, wer ihn aller Wahrscheinlichkeit nach angegriffen hat, und können nicht das Geringste dagegen unternehmen. Was den eigentlichen Schützen betrifft, so kümmert sich die Polizei um ihn. Die Chancen stehen nicht gut, dass sie ihn jemals ausfindig machen werden. Das wiederum könnte bedeuten, dass die Gewalt weiter eskaliert. Ich möchte nicht hier sein, wenn das passiert, ganz besonders nicht mit Emma. Lass uns heiraten. Lass uns nach Hause zurückkehren.«
    Und Molly, das Mauerblümchen Molly mit ihrem wilden roten Haar und dem zu dünnen Körper, sah zu dem großen Mann auf, den Eve nie und nimmer von der

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