Vergeben, nicht vergessen
weiß aber, wie man eine geheime Soße macht. Das Rezept stammt noch von der Familie meiner Mutter in Italien. Diese Soße wird sie schnell abwerben.«
»Das werden wir ja sehen. Ich habe auch meine Geheimnisse, zum Beispiel richtig billigen gelben Senf.« An Emma gewandt, fragte er: »Weshalb kennst du dich eigentlich mit Patts und mit Schach aus?«
»Mein Freund hat es mir beigebracht.«
»Du hast einen Freund, Emma?«
»Er heißt Jake. Er ist ein richtiger Stubenhocker.«
Ramsey rollte mit den Augen. »Hast du auch eine Sportskanone als Freund?«
»Ach geh, Ramsey, die sind doch blöd.«
»Sag das nicht. Ich war auch mal eine Sportskanone, und ich war nicht blöd. Na ja, eventuell schon, als ich noch sehr jung war.«
»So jung wie ich?«
Er sah auf ihr nach oben gerichtetes Gesicht. »Nein, Em, so jung wie du war ich nie.«
Sie kicherte, sie kicherte tatsächlich. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn bis in die Zehenspitzen. Molly sah auf und lächelte. Emma sagte: »Ich bin froh, dass du jetzt nicht mehr so jung bist wie ich.« Mit der Handfläche berührte sie sanft die Wunde an seinem Oberschenkel. »Heiß ist sie nicht mehr.«
»Nein, jetzt bin ich wieder von Kopf bis Fuß auf Zimmertemperatur.«
Sie streichelte ihn, dann hüpfte sie in die Küche, um ihrer Mutter zu helfen.
Es war ein unbeschwerter Abend. Keiner erwähnte das Damoklesschwert, das über ihnen hing, noch wurde Mollys krimineller Vater erwähnt. Sie spielten Wortspiele, dann brachte Ramsey Emma das Lesen mit den Buchstaben und Zahlen bei, die er in einem Buchladen in Dillinger gekauft hatte.
Das Kind war intelligent und schnell. Lfm neun schrieb sie bereits seinen, ihren und den Namen ihrer Mutter in ganzen Sätzen hin. »Man setze den besten Lehrer der Welt neben das klügste Kind auf der Welt und schaue sich einmal das Ergebnis an!« Er beugte sich hinunter, um das letzte Wort, das Emma buchstabiert hatte, zu entziffern: Toilette.
Beide brachten sie sie in das kleine Doppelbett.
»Soll das Licht anbleiben, Em?«
»Nein, Mama. Wirst du wieder bei mir schlafen?«
»Ja«, erwiderte Molly fröhlich. »Wenn Ramsey nachts aufwacht und sich einsam fühlt, dann kann er durch die Wand hindurch mit uns reden.«
Emma lächelte mit geschlossenen Augen. Sie standen und blickten auf sie herab, auf dieses Kind, das ihrer beider Leben so sehr verändert hatte.
»Sie hat meinen Namen geschrieben«, sagte Ramsey. »Er war lesbar. Sie hat einen ganzen Satz geschrieben. Wirklich unglaublich.«
»Sie hat die Intelligenz ihrer Mutter geerbt.« Molly feixte ihn an. »»Mein Ramsey ist sehr schlau<. Das hat doch einen ganz besonderen Klang, nicht wahr? Kaum zu glauben, dass sie das Wort Toilette buchstabiert hat.«
»Und sie hat es richtig geschrieben. Außerdem musste sie lachen, Molly. Von wem hat sie eigentlich ihre Haare?«
»Von ihrem Vater«, erwiderte sie knapp. Weiter sagte sie nichts. Warum war er nicht zurückgekommen, nachdem Emma entführt worden war? Diese Frage hatte er sich schon etliche Male gestellt. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein Vater sich um sein Kind keine Sorgen machte. Dass die Eltern geschieden waren spielte dabei keine Rolle.
»Lass uns nach unten gehen. Nachdem Emma im Bett ist, möchte ich, dass du mir alles über deinen Vater erzählst.«
»Vorher sollte ich aber noch Detektiv Mecklin und Agent Anchor anrufen. Das habe ich ganz vergessen.«
»Nein, das hast du nicht, aber egal. Erledigen wir das zuerst. Wer weiß, vielleicht hat man dort etwas herausgefunden.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Sie benutzte das Haustelefon und verlangte, Detektiv Mecklin zu sprechen. Man bat sie zu warten. Sie starrte das Telefon an, dann knallte sie plötzlich den Hörer auf. »Sie haben versucht, den Anruf zurückzuverfolgen«, schäumte sie. »Ganz bestimmt. Diese Dreckskerle.«
»Vermutlich hast du Recht. Wir rufen morgen noch einmal an. Mach dir keine Sorgen, die Zeit hat ihnen nicht ausgereicht.«
»Du kennst dich da sicher gut aus.«
»Ziemlich, ja. Aber wir müssen uns vor der Polizei schließlich nicht verstecken, Molly.«
»Ich will sie nicht an Emma heranlassen. Verstehst du das denn nicht? Sie werden sie mir vielleicht wegnehmen und sie einer ganzen Reihe von Ärzten vorstellen, alles Fremde. Sie entwickelt sich so gut. Dieses Risiko kann ich nicht auf mich nehmen. Und du würdest das auch nicht wollen. Lassen wir es also.«
»In Ordnung. Ich mach dir einen Vorschlag. Ich rufe Dillon Savich
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