Vergeben, nicht vergessen
einen besseren Geschmack als die Amerikaner - mit anderen Worten, er kam dort besser an - und erwog, möglicherweise den größten Teil des Jahres in Europa zu verbringen. Er sprach von seinen Eroberungen in Europa, und zwar sehr ausführlich. Ich denke nicht, dass du das unbedingt erfahren musst. Emma hat er während dieses Gesprächs nie wieder erwähnt.
Die Polizistin, die mit mir zusammen ihm zuhörte, starrte mich nur an. Sie vergötterte Louey und hatte auf seinen Anruf gehofft, damit sie seine sexy Stimme hören konnte. Vielmehr vergötterte sie ihn, bis sie hörte, was diese sexy Stimme zu sagen hatte. Nachdem ich aufgelegt hatte, tätschelte sie mir die Schulter.
Ich fing zu weinen an, und sie streichelte mich weiter. Sie dachte, ich sei traurig darüber, dass Louey mich verlassen hatte, traurig darüber, dass er sich mit all diesen Frauen abgab.«
»Jetzt erinnere ich mich«, sagte er nach einer kurzen Pause. »In den Zeitungen wurde über die Scheidung berichtet, aber niemals irgendwelche Details, kein Hinweis auf Untreue oder Drogen oder etwas in der Richtung. Nur eine simple Verlautbarung, man habe sich aufgrund unversöhnlicher Differenzen getrennt. Die Sache war schnell wieder vergessen.«
»Mein Vater ist sehr einflussreich. In diesem Fall war es eine gute Sache. Keiner walzte das Thema groß aus. Ein paar Tage lang wurde in der Boulevardpresse über die Scheidung spekuliert, aber dann ließen sie die Sache fallen. Ich war meinem Vater sehr dankbar.« Sie blickte auf ihre Fingernägel. Auf ihrem Zeigefinger klebte etwas Senf, den sie ableckte.
»Emma?«
»Louey, ihr leiblicher Vater, hat sie nie gewollt. Nachdem wir uns getrennt hatten, war er meiner Meinung nach sehr erleichtert darüber, nicht mehr Vater sein zu müssen. Ein Kind passte einfach nicht zu dem sexy ungebundenen Bild, das er von sich selbst hatte. Komisch aber, dass sie vermutlich genauso viel musikalisches Talent besitzt wie er, wenn nicht noch mehr.«
»Woher wusste Louey von Emmas Entführung? Du sagtest, er habe dich angerufen, bevor du ihn hast anrufen können.«
»Darüber habe ich mir später auch Gedanken gemacht. Wahrscheinlich hat ihn einer seiner Freunde aus Denver angerufen. Louey hat sicher angenommen, die Sache würde in der Presse aufgebauscht, dann hätte er den besorgten Vater mimen müssen, um nicht schlecht dazustehen. Wer weiß?«
»Ich frage mich, welcher Freund aus Denver sich die Mühe gemacht hat, ihn anzurufen.«
»Er hat es nicht erwähnt, und ich war viel zu besorgt, um zu fragen. Aber Louey ist mit vielen Leuten aus der Medienwelt befreundet, sowohl im Fernsehen als auch bei den Zeitungen. Es war vermutlich einer seiner Kumpel von der Zeitung.«
»Gibt es einen besonders engen Freund?«
»Ja, James Hicks von der Denver Post. Weswegen?«
»Kein besonderer Grund. Ich sammle nur Informationen. Wirst du jetzt deinen Vater anrufen und ihm sagen, dass Emma in Sicherheit ist?«
»Ja, das sollte ich tun. Er war sehr besorgt. Ich habe ihn sofort angerufen, nachdem Emma entführt worden war. Ich wusste genau, dass er ein paar seiner Leute auf die Sache ansetzen würde, und das hat er auch getan. Ein Mann und eine Frau kamen sechs Stunden nach meinem Telefonat mit ihm bei mir vorbei. Die örtliche Polizei ist die Wände hochgegangen. Jede Menge Verdächtigungen. Ich habe die Ungehaltenheit der Polizei wegen dieser Einmischung einfach überhört. Ich habe ihnen so viel ich konnte erzählt, warum auch nicht? Sie wollten mir helfen; mein Vater bezahlte sie, um Emma zu finden. Ich weiß nicht, was seine Leute eigentlich machten. Ich habe sie mehrmals gesehen. Wir haben Hinweise und Möglichkeiten diskutiert. Falls sie fündig geworden sind, so weiß ich davon nichts.«
»Hast du ihnen gesagt, dass du dich selbst nach Emma auf die Suche machen wolltest?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich werde ihn jetzt sofort anrufen. Zumindest wird er nicht versuchen, den Anruf zurück-zuverfolgen.« Sie schwieg einen Augenblick, dann wandte sie sich ihm zu. »Ob mein Vater wohl den Verdacht hat, dass Emmas Entführung etwas mit ihm zu tun haben könnte? Ich wette, ja. Und eines weiß ich: Wenn er herausgefunden hat, wer das getan hat, würde er nicht zögern, einen Mord in Auftrag zu geben.«
11
Einen Mord in Auftrag geben. Es war ihr so leicht über die Lippen gekommen, so selbstverständlich.
Wie oft hatte sie so etwas in ihrer Kindheit gehört?
»Also gut, ich werde anrufen. Nur eines noch: Wenn nun diese Männer da
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