Vergeben, nicht vergessen
an, meinen Freund in Washington. Schauen wir mal, ob er vielleicht weiß, was da vorgeht.«
»Wer ist dein Freund eigentlich genau?«
»Er ist ein Computerexperte, der gleichzeitig auch als FBI-Agent arbeitet. Vertraue mir in dieser Sache, er ist nicht wie Agent Anchor. Er und seine Partnerin - jetzt ist sie seine
Frau, Sherlock - waren es, die den Toasterfall in Chicago geknackt haben. Erinnerst du dich?«
»War das der junge Typ, der ganze Familien umgebracht hat?«
»Genau. Russell Bent.«
»Den werden sie doch wohl niemals wieder auf freien Fuß lassen, oder?«
»Vertraue hier einfach dem System, Molly. Russell wird den Rest seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt verbringen.«
»Ich erinnere mich aber an den Mörder in Boston, der sich aus dem Staub gemacht hat, weil ein Richter ihn aus dem Gefängnis entlassen hat, damit er psychiatrisch untersucht wird. Der Serienkiller, so hatte ihn die Presse doch genannt, nicht wahr?«
»Ja, das ist tatsächlich passiert.«
Sie warf ihm einen viel sagenden Blick zu. »Ein wirklich gutes System.«
»Weißt du, Molly, unser Rechtssystem arbeitet in den meisten Fällen sehr gut. Da es aber Menschen sind, die die Entscheidungen treffen, gibt es dann und wann auch ein paar Ausfälle. Du musst einfach ein wenig objektiver sein.«
Molly seufzte, erhob sich und ging zu den raumhohen Fenstern hinüber, die den Blick über das hügelige Gras bis zu Nathans Bach freigaben. Der Bach rauschte, denn er war voller Schmelzwasser vom Schnee aus den Bergen. Der Halbmond ließ den Schnee schimmern. »Es ist wunderschön hier. Wirst du Dillon Savich anrufen?«
»Und ob. Du hattest mich abgelenkt. Ich will ihm erzählen, was los ist. Ich will ihm auch sagen, wer du bist. Er wird nichts unternehmen, es sei denn, ich bitte ihn darum. Okay?«
Molly nickte.
Er benutzte ebenfalls das Haustelefon und drückte die Lautsprechertaste. Nach dem dritten Klingeln in Washington wurde das Telefon abgenommen, und Ramsey meldete sich.
Ein sehr wacher Savich sagte: »Sag mal, weißt du eigentlich, dass es hier ein Uhr nachts ist? Schwamm drüber, wo bist du? Du hast den Lautsprecher an. Bist du nun endlich bereit, mich in die Sache dort einzuweihen?«
»Hast du von der Entführung in Denver gehört? Emma Santera?«
»Ja. Aber Moment mal, du willst mir doch nicht sagen, dass du in diese Sache verwickelt bist?«
Ramsey erzählte ihm ohne Vorbehalte alles, was vor ihrer Ankunft in Kalifornien passiert war. »Es geht uns gut, hoffentlich haben wir uns gut versteckt. Frau Santera möchte nicht, dass irgendjemand erfährt, wo genau wir uns aufhalten. «
»Auch das FBI nicht? Und die Polizei? Das ist aber sehr merkwürdig, Ramsey.«
»Ja, ich weiß. Nimm es für den Augenblick einfach mal so hin. Kannst du mir sagen, was bei euch vorgeht? Hat Agent Anchor irgendetwas gesagt, wovon du Wind bekommen hast?«
Savich lachte. »Ob Bud etwas gesagt hat? Er brüllt die ganze Zeit herum und droht, er würde Frau Santera vor Gericht stellen, weil sie seine Untersuchung behindert. Es wird nicht einfach sein, mich zurückzuhalten, Ramsey, aber ich werde es tun, bis du mir freie Fahrt gibst. Hast du eigentlich auch nur eine vage Vorstellung davon, was die Leute hier sagen würden, wenn sie wüssten, dass du in die Sache verwickelt bist und von mir unter der Hand Informationen erhältst?«
»Und was ist mit den Besitzern des Transporters? Wir haben der Polizei in Denver und Agent Anchor die drei Namen und Nummernschilder durchgegeben, die du mir genannt hast.«
»Der Transporter wurde im letzten Monat als gestohlen gemeldet. Er gehörte einem Milchbauern in Loveland, Colorado. Die Frau hat ihn als gestohlen gemeldet. Dann aber sagte ihr Ehemann, der Wagen sei gar nicht gestohlen worden. Er habe ihn verkauft, das jedoch seiner Frau nicht mitgeteilt. Wer weiß? Hat er ihn den Entführern verkauft? Das würde mir einleuchten.«
»Mir auch.« Ramsey seufzte.
»Du solltest dir überlegen, ob du dich nicht mit den Behörden in Verbindung setzen willst. Hat man denn erneut versucht, an das Kind heranzukommen?«
»Seit wir hier in unserem neuen Schlupfwinkel sind, nicht.«
»Geh zu den Behörden, Ramsey. Die Sache hört sich ziemlich riskant an. Ich stimme dir zu, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Entführung handelt. Hast du einen Verdacht?«
»Vielleicht. Hör zu, Savich, lass uns uns hier noch etwas versteckt halten. Wenn in der Zwischenzeit nichts passiert, rufe ich dich am Freitag wieder
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