Vergeben, nicht vergessen
nippte an dem letzten Rest seines Brandys, setzte behutsam das Glas auf den Sofatisch und sagte bedächtig: »Ich wollte, dass sie hierherkommt. Du hast selbst gehört, wie ich Molly während unseres Telefonats gesagt habe, sie soll hierherkommen. «
»Richtig, und sie ist deinem Rat gefolgt.«
»Aber sie hat es nicht aus freien Stücken getan. Es war der Mann. Es war Ramsey Hunt.«
Er blickte auf seine goldene Rolex. »Er meinte, er wolle mit mir reden. Miles hat ihm ausrichten lassen, er möge ohne Molly kommen.«
»Wann hat er das gesagt?«
»Miles hat ihm ausgerichtet, wie er sich verhalten muss, wenn er meinen Schutz genießen will. Er wird meinem Wunsch Folge leisten. Er weiß selbst, dass er mich braucht.« Er ließ seine langen Finger durch die Haare gleiten. Eve starrte ihn an. Das hatte sie ihn noch niemals tun sehen. »Was ist los?«
»Ich muss sie besser in den Griff bekommen. Die Art und Weise, wie sie mit mir geredet hat! Ich hätte sie fast geschlagen, Eve.«
»Du hast es aber nicht getan. Als sie drohte zu gehen, hast du einen Rückzieher gemacht und das gesagt, was sie hören wollte - dass du nämlich sowohl von ihr als auch von diesem Ramsey Hunt hören wolltest, wie sie sich die Sache vorstellen. « Eve schwieg einen Moment. Das Fernsehprogramm lief wieder. Dann sagte sie: »Du hast ihr geschmeichelt, und sie ist darauf hereingefallen. Du hast sie in den Griff bekommen, Mason.«
»Nein«, entgegnete er. »Auf gar nichts ist sie hereingefallen. Sie hat panische Angst um ihre Tochter. Sie würde einen Pakt mit dem Teufel schließen, wenn das ihre Tochter schützen würde. Und zwar selbst dann, wenn ich der Teufel bin.« Er wusste genau, dass sie verschwunden wäre, wenn er keinen Rückzieher gemacht hätte. Und der Mann hätte sie begleitet. Sie schlief offenbar mit ihm. Dass sie ihn schon dermaßen unter dem Pantoffel hatte! Er musterte kurz seine Frau. Sie hatte sich erneut ihrer Gameshow zugewandt. Er ging auf die Tür des großräumigen Wohnzimmers zu und öffnete leise die wunderschönen, raumhohen Fenster, die den
Blick auf einen sehr hübschen englischen Garten freigaben. Die Luft war mild und duftete nach Hyazinthen, Rosen und nach Jasmin. Die Jasminsträucher hatte er selbst ausgesucht. Kein Geräusch störte die Stille. Nur sehr wenige Menschen wussten, dass sich mindestens ein halbes Dutzend Leute rund um das Haus herum auf ihren Wachposten befanden. Als Molly, Emma und Ramsey Hunt angekommen waren, hatte er seine Mannschaft noch um mehrere Personen verstärkt. Er wandte sich um und sah, wie Miles durch den Flur hindurch auf ihn zukam.
»Emma hat die von mir zubereiteten Spaghetti sehr gern gegessen«, bemerkte er. »Die Pasta hatte die Form von kleinen Jurassic Park Dinos.«
Mason Lord konnte den Mann nur wortlos anglotzen, der zweiundzwanzig Jahre lang nur ihm und ihm allein die Treue gehalten hatte. Er hatte hier angefangen, als Molly noch ein kleines Mädchen gewesen war, doch hatte er ihr niemals viel Aufmerksamkeit geschenkt. Warum also Emma? Sicher, sie war sehr hübsch und Alicias Ebenbild. Doch das hatte nichts zu bedeuten, denn Alicia hatte er auch niemals beachtet.
Er sah, wie Ramsey Hunt die breite Treppe zu seiner Rechten herunterkam. Er trug schwarze Hosen und ein weißes Hemd. Kein Schlips, aber das war ihm nachzusehen, denn schließlich waren die beiden auf der Flucht gewesen. Er wandte sich ihm zu und sagte: »Haben Sie mit Molly gesprochen?«
»Ja.«
»Haben Sie ihr gesagt, wie sie sich in meinem Haus zu benehmen hat?«
Ramsey wäre angesichts der schweren Geschütze, die Mason Lord aufführte, am liebsten in Lachen ausgebrochen. Er lächelte jedoch lediglich. »Sie weiß genau, was zu tun ist. Miles sagte, Sie wollten mit mir sprechen?«
»Ja, aber nur mit Ihnen, nicht mit Molly. Sie versteht weder etwas von Geschäften noch von strategischem Vorgehen.«
»Eben gerade habe ich Molly noch im Schlafzimmer gesehen, wo sie Emma eine Lesestunde erteilte. Das Kind ist wirklich sehr intelligent.«
»Ich habe im Alter von fünf Jahren Moby Dick gelesen.«
»Wie ich mir habe erzählen lassen, konnte auch Molly schon sehr früh lesen. Das ist wirklich bemerkenswert.«
Das hatte Mason ganz vergessen. Er nickte. »Kommen Sie mit in mein Arbeitszimmer. Dort ist es ruhiger.« Er schloss die Eichentüren und damit auch die widerlichen Geräusche der Gameshow im Wohnzimmer aus, all diese ungebildeten, lauthals brüllenden Stimmen.
Ohne weitere Einleitung sagte
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