Vergeben, nicht vergessen
Anwesen. Dillon drückte eine Taste, und ein anderer Blickwinkel auf das Haus erschien, diesmal von Osten aus aufgenommen. »Diese Fotos sind eben gerade hereingekommen. Ich habe sechs Männer gezählt, die das Grundstück bewachen. Und jetzt schauen wir uns den Boss einmal persönlich an.« Er drückte erneut eine Taste, und Masons schlankes, attraktives Gesicht erschien auf dem Monitor. »Gar nicht übel, nicht wahr?«
»Nein. Und wer ist das? Seine Tochter?«
»Nein, das ist seine neue Frau. Sie ist jünger als die Tochter. « Sherlock machte ein unflätiges Geräusch. Sie sahen sich noch weitere Fotos an. Schließlich drückte er eine Taste und sagte: »Das hier sind Molly Santera und Emma, ihre Tochter.«
Sherlock schwieg kurz und meinte dann: »Wir müssen mehr tun, Dillon.«
Sonderagent Dillon Savich, Leiter der Abteilung Verbrechensbekämpfung des FBI, stieß seinen Stuhl zurück, sah auf und sagte: »Und was schlägst du vor, Sherlock?«
»Zunächst einmal würde ich diesen Bauern aus Loveland, Colorado, unter die Lupe nehmen. Der, der behauptet hat, er hätte den Laster verkauft und von dem sich später herausgestellt hat, dass die Typen damit Ramsey verfolgt haben.«
Er spürte ein Kribbeln auf seinem Rücken. Er beugte sich vor und fragte, ohne sie auch nur einen Moment lang aus den Augen zu lassen: »Du glaubst also, dass der Mann weiß, wer sie sind.«
»Ja, das steht zu befürchten. Ich finde, wir sollten ihn aufsuchen, mit ihm reden, sehr ernsthaft reden. Abgesehen davon haben wir zur Zeit keine anderen Hinweise.«
»Ich stimme dir zu und bin deiner Meinung - der Bauer weiß Bescheid. Einer der Leute aus unserem Büro in Denver könnte hinfahren und mit dem Mann reden.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Agent Anchor ist bereits mit der Sache beschäftigt. Ich möchte wetten, er hat zu seiner eigenen Befriedigung überprüft, dass der Bauer keinen Schimmer hatte, dass er seinen Wagen den Entführern verkauft hatte. Anders gesagt, er hat sich seine Meinung bereits gebildet. Ich bezweifle, dass er sie ändern wird, es sei denn, man würde es ihm wirklich unter die Nase reiben. Dem Hörensagen nach mangelt es Agent Anchor an Umgangsformen. Einerseits schmeichelt er sich im FBI die Kommandoleitung hoch, andererseits stellt er gern die örtliche Polizei bloß. Nein, einer von uns muss hingehen. Wir sind nicht auf der Seite des FBI, wir sind auf der Seite des Kindes.«
»Und das soll einen Unterschied machen?«
»Dieses Mal vielleicht schon«, meinte sie nachdenklich und strich mit den Fingern leicht über die dicken schwarzen Streifen, die als MAX’ Lautsprecher dienten. Sie erinnerte sich daran, wie schallend Dillon gelacht hatte, nachdem MAX seine erste Bemerkung von sich gegeben hatte. Wenn sie sich richtig erinnerte, so hatte er gesagt: »Ein Hoch auf die Redskins.«
»Wenn es sich um eine gewöhnliche Entführung handeln würde, wäre es etwas anderes«, meinte sie. »Aber diese Sache ist ein Riesending, Dillon. Und bisher weiß niemand, was sich dahinter verbirgt und was sie erreichen wollen. Vielleicht weiß es Mason Lord. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weswegen Ramsey dort ist.«
»Also gut. Ich rufe in der Außenstelle an und kündige Agent Anchor unser Kommen an.« Dillon wirbelte auf seinem Drehstuhl herum, zog sein Telefonverzeichnis hervor und wählte. Der Anschluss war besetzt. »Verflucht. Wenn es nach mir ginge, wäre E-Mail für alle ein Muss, ganz gleich in welcher Abteilung, ob nun Zentrale oder Außenstelle. Vielleicht sogar für alle Menschen auf der ganzen Welt.«
Sie schüttelte den Kopf, nahm den Hörer und drückte die-selbe Zahlenkombination. Als man antwortete, fragte sie nach Agent Anchor. An Dillon gewandt, bemerkte sie: »Telefone hassen dich. Das musst du einfach akzeptieren. Überlass von jetzt an das Wählen einfach mir. Ach, guten Tag, Agent Anchor. Agent Sherlock hier aus Washington. Mir geht es gut, und Ihnen? Gut. Ich habe eine Frage zur Santera-Entführung. Ja, genau. Dieser Bauer, den Sie verhört haben, derjenige, der behauptet hat, er hätte seinen Laster verkauft, nachdem seine Frau ihn als gestohlen gemeldet hatte?« Einen Moment lang starrte sie das Telefon an, als ob es sie gebissen hätte. »Ist das Ihr Ernst?«
Sie schwieg eine Weile, nickte, dann sagte sie: »Wann? Wie? Irgendwelche Hinweise?«
Dann stellte sie noch einige Fragen, hörte eine Weile lang zu und legte langsam auf.
»Was ist passiert?« Jetzt war auch Savichs Stimme
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