Vergeben, nicht vergessen
Ramsey: »Wie ich gehört habe, sind Sie, als Sie davon hörten, dass Louey Santera Molly schlägt, unverzüglich zu ihnen hingeflogen. Das finde ich bewundernswert.«
Mason starrte den großen Mann an, der jetzt ganz entspannt und mit offenem, fast schon bewunderndem Gesichtsausdruck vor seinem Schreibtisch stand.
Nur wegen Loueys Benehmen war er nach Denver geflogen. »Ich hätte es nicht geduldet, dass diese miese Ratte einen der Meinen verletzt.«
Das war Mason Lords Grundsatz, dachte Ramsey erleichtert und zufrieden. »Selbstverständlich empfinden Sie Emma gegenüber genauso. Sie ist auch eine der Ihren. Wer, glauben Sie, steckt hinter der Sache?«
»Es ist eine Entführung. Louey ist reich. Vielleicht nicht mehr so reich wie vor der Scheidung von meiner Tochter, aber doch immer noch sehr gut betucht. Seine Europatourneen bringen ihm buchstäblich Millionen, diesem elenden kleinen Hund.«
»Nein, es handelt sich hier nicht nur um eine Entführung. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass eine Menge Männer hinter uns her waren. Wie viele Leute bräuchte man, um eine derartige Verfolgungsjagd aufzustellen? Vielleicht noch zwei mehr, und alles Profis. Nein, eine Entführung ist das nicht,
Sir. Hier handelt es sich um etwas anderes. Darauf schließe ich jede Wette ab.« Ramsey schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: »Es tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Sie wissen noch nicht, dass Emma in der Waldhütte ganz weit oben in den Rockies sexuell missbraucht und geschlagen wurde. Das ist noch etwas, worum wir uns kümmern müssen. Emma muss einen Arzt und einen Kinderpsychologen sehen. Sie hat Alpträume. Weder Molly noch ich haben mit ihr darüber geredet, weil wir befürchten, dadurch alles nur noch schlimmer zu machen.«
Mason Lord erblasste. Einen Augenblick lang befürchtete Ramsey, dass er sich übergeben müsste - oder aber dass ihm die Hutschnur platzen würde. Weder das eine noch das andere geschah. Langsam kehrte seine Gesichtsfarbe zurück, und er atmete wieder langsam und ruhig.
Er blickte Ramsey in die Augen und sagte: »Die Mistkerle haben gerade ihr eigenes Todesurteil unterschrieben.«
»Ich sollte nicht so empfinden, aber ich denke in diesem Fall ganz ähnlich.«
»Sie sollen das Recht hoch halten und die geschätzten Gesetze, die Abschaum dieser Art auch noch schützen.«
»Richtig«, erwiderte Ramsey. »Ich bin dazu angehalten, die Rechte von Abschaum aller Art sicherzustellen.«
Mason Lord blickte ihn scharf an, doch Ramseys Gesichtsausdruck änderte sich nicht. »So gerne ich es auch ignorieren möchte, haben Sie wohl Recht - vermutlich besteht tatsächlich irgendein Zusammenhang entweder mit mir oder mit Louey. Darüber werde ich nachdenken. Ich habe bereits mit Buzz Carmen über die Möglichkeit gesprochen, dass ein paar meiner Widersacher hinter dieser Angelegenheit stecken könnten. Wir werden sehen.«
»Ich möchte Molly und Emma gern bei Ihnen zurücklassen. Hier weiß ich wenigstens, dass sie wirklich sicher sind.«
»Und was werden Sie dann tun, was ich nicht auch tun könnte?«
»In Colorado waren Ihre Leute nicht sonderlich erfolgreich. Meine Möglichkeiten sind umfassender.«
»Was sind denn Ihre Möglichkeiten? Doch nicht mehr als ein Haufen Polizisten und Anwälte in San Francisco.«
Ramsey schüttelte den Kopf. »Sie würden dem ohnehin nicht zustimmen, also behalte ich meine Information für mich.«
Mason Lord spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er erhob sich langsam und legte die Handflächen auf die blank polierte Mahagoniplatte seines Schreibtischs. Es blieb ihm jedoch keine Zeit, etwas zu sagen. Die Tür ging auf, und seine Tochter trat ein. Lächelnd wandte sie sich an ihren Vater: »Habe ich viel verpasst? Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe, aber Emma war noch nicht ganz bettfertig. Es stimmt halt tatsächlich, dass die Arbeit einer Mutter nie zu Ende ist. Und nun erzählt mir, was ihr denkt, und dann erzähle ich euch, was ich davon halte.«
Ramsey zwinkerte Mason Lord zu. »Vielleicht sollten wir uns darauf einlassen, Sir. Sie besitzt eine beachtenswerte Intelligenz. Es wäre dumm, diese nicht zu nutzen. Sie hätten sie einmal sehen sollen, wie sie das Fluchtauto gefahren hat.«
Mason Lord hörte die einfallslose Musik der Gameshow. Das hätte eigentlich nicht sein sollen, denn sein Arbeitszimmer war gegen Schall isoliert. Hatte sie die Lautstärke aufgedreht? Er musterte das Gesicht seiner Tochter. »Geh jetzt und kümmere dich
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