Vergeben, nicht vergessen
unwichtig. Es gibt viel Wichtigeres, an das du denken musst, und das Allerwichtigste steht gleich hier neben mir.«
»Mama, warum ist Großvater sauer?«
Emma stand im Türrahmen, ihre langen Haare verwuschelt, ihr Nachthemd mit den rosa Schleifchen streifte fast den Boden. Sie presste ihr Klavier gegen die Brust. Es war fast so groß wie sie selbst.
»Sie braucht eine Puppe«, meinte Ramsey.
»Dein Großvater war nicht wirklich wütend, Em. Es ist spät, und er ist nicht mehr der Jüngste, verstehst du? Ältere Leute ärgern sich leicht, wenn sie müde sind.«
»Was du mir da für einen Bären aufbindest!«
»Sei still, Em. Ramsey versucht einen Witz zu machen. Ich werde ihm ein paar Übungsstunden geben. So, und jetzt komm mit ins Bett. Ich decke dich zu.«
»Ich komme mit dir mit.« Ramsey ging auf Emma zu und hob sie auf den Arm. »Dieses Klavier wiegt schwer wie ein Mühlstein, Emma. Vielleicht sollten wir es um eine Oktave verkleinern.«
Emma rückte von ihm ab und musterte ihn. »Das war lustig, Ramsey. Nicht so lustig wie Mama, aber doch lustig. Hat sie dir schon Unterricht gegeben?«
»Danke, Emma. Aber sie hat mir noch keinen Unterricht gegeben. Um ehrlich zu sein, diesen Witz habe ich ganz allein erfunden.« Er nahm das Klavier und reichte es Molly. Emma schmiegte sich mit dem Kopf an seine Schulter an und nuckelte an ihrem Daumen.
Im Schlafzimmer stand ein riesiges Doppelbett. Wie ihm jetzt erst auffiel, war dies Mollys ehemaliges Zimmer. Keinerlei Rüschen, stattdessen wurde eine Wand gänzlich von einem Bücherregal verdeckt, voller Taschen- und gebundener Bücher, die ohne erkennbare Ordnung übereinander gestapelt lagen. An der anderen Wand hingen Fotos, jede Menge Fotos. Viele waren gerahmt, und die meisten waren liebevoll auf Korkmatten arrangiert.
»Mama macht Fotos«, sagte Emma, an Ramsey gewandt, als er sie auf dem Bett ablegte. »Diese hier hat sie aufgenommen, als sie noch jung war.«
»Verstehe«, erwiderte er, beugte sich vor und küsste Emma auf die Stirn. Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Schlaf jetzt, Emma. Ich will nicht, dass du dir über irgendetwas Sorgen machst, einverstanden?«
»Du wirst doch nicht Weggehen, Ramsey?«
Diese Entscheidung hatte er bereits mit Mollys Hilfe gefällt, aber was, wenn doch noch etwas dazwischenkam? Etwas, was er nicht hatte vorhersehen können und weswegen er würde gehen müssen?
»Du weißt nicht, ob du mir die Wahrheit sagen sollst«, flüsterte sie. »Das ist schon in Ordnung. Alle lügen. Außer Mama. Die lügt nie.«
»Tatsächlich?«
»Ja«, bestätigte Emma. »Mama, kommst du auch bald ins Bett?«
»Ja, mein Schatz, bald. Ramsey und ich haben noch jede Menge Dinge zu besprechen.«
Sie knipste die Nachttischlampe neben Emma aus, ließ die Tür jedoch angelehnt. Nur ein kleiner Lichtstreifen fiel von den drei Tiffany-Lampen auf dem breiten Flur ins Zimmer.
»Ich werde dich nicht verlassen, Emma, es sei denn, ich bin dazu gezwungen. Und dann sage ich dir vorher Bescheid«, versprach Ramsey.
Emma schwieg.
»Wir können sie hören, falls sie einen Alptraum bekommt«, meinte Molly leise, als sie Ramsey in sein Zimmer folgte.
Als sie sein Zimmer betreten hatten, fragte er: »Sag mir, was deiner Meinung nach unsere nächsten Schritte sein sollten.«
»Louey Santera noch einmal zusammenschlagen.«
»Und nachdem wir ihn zusammengeschlagen haben?«
Sie seufzte. »Ich weiß es nicht, Ramsey. Es ist so viel passiert. «
»Eines der dringlichsten Dinge ist, Emma zu einem Arzt und einem Kinderpsychologen zu bringen.«
»Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Ich möchte sie nicht zu ihrem normalen Kinderarzt bringen. Er ist ein Mann. Ich will, dass sie zu einer Frau geht.«
»Das ist vermutlich eine kluge Entscheidung.«
»Morgen telefoniere ich etwas herum und lasse mir ein paar Empfehlungen geben. Was meinst du, wo sich diese Männer jetzt aufhalten?«
»Wenn sie hier in der Stadt sein sollten, werden sie sich selbst verfluchen. Es gibt keine Möglichkeit, hier einzudringen. Laut Miles bewachen sechs Wachposten rund um die Uhr das Grundstück. Hier ist es vermutlich sicherer als im Weißen Haus.«
»Ich habe gehört, wie Mason bei Gunther noch drei weitere Wachposten angefordert hat. Er geht wirklich kein Risiko ein.«
»Er liebt dich und Emma.«
»Klar doch. Es ist alles eine Sache des Besitzes. Er will einfach nicht, dass irgendjemand das angreift, was er als sein Eigentum betrachtet.«
»Wie auch immer es sich
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