Vergebliche Suche nach Gaby
Verlass. Sicherlich mehr als auf diesen
Windhund dort. Der saß neben dem Fahrer, seinem Herrchen, in einem offenen
Roadster. Der Wagen rollte heran aus Richtung Wald-Parkplatz.
Im Vorbeifahren rief der Mann:
„Mein Hund ist wieder da. Gott sei Dank!“ Der Mann fuchtelte mit beiden Händen
und grinste wie ein Idiot. Niemand interessierte sich für ihn.
„Ich finde nur eine Erklärung“,
sagte Tim. „Gabys Verschwinden hat mit dem Freigang der Bären überhaupt nichts
zu tun. Die beiden Ereignisse fallen lediglich zeitgleich zusammen.“
Glockner nickte. „Du meinst,
jemand im Wagen hat sie mitgenommen. Jemand, der hier zufällig vorbeikam.
Entweder, er hat sie mit dem Fahrzeug gestreift. Dann wäre sie verletzt und er
— oder sie — hätte sie in ein Krankenhaus gebracht. Oder die Mitnahme geschah
in krimineller Absicht und jemand hat Gaby in den Wagen gezerrt.“
Margot schluchzte auf. Glockner
griff nach der Hand seiner Frau.
„Wir finden Gaby“, sagte er leise.
„Es wird alles gut.“ Tim hörte ein Geräusch hinter sich und wandte den Kopf.
Zwischen Bungalow und Garage
war ein schmaler, überdachter Durchgang. Dort war Licht aufgeflammt und ein Typ
trat hervor. Er war groß, Ende dreißig, knochig, hatte fischige Augen und einen
fahl blonden Stoppelschnitt. Der graue Wollpullover hing an ihm wie an einer
Vogelscheuche. Knochige Schultern beulten die Wolle aus.
Er kam heran und verharrte auf
der anderen Seite des brusthohen Tors — zwei Schritte von Tim entfernt.
Bruno Otterfeint gefällt mir
überhaupt nicht, dachte Tim. Der riecht nach Hinterhalt und Bosheit.
Bruno sah Glockner an und
bleckte die Unterlippe. „Was is’n hier eigentlich los? ‘ne Feuerwehrübung?“
„Bundeswehrübung“, sagte Tim
rasch. „Im Wald ist der Feind, im Zoo auch. Und Sie liegen mitten im
Kampfgebiet. Hat Sie denn niemand gewarnt? Ab Mitternacht wird scharf
geschossen.“
Gabys Vater missbilligte das,
wie Tim merkte, rüffelte aber den TKKG-Häuptling nicht. Indes — Bruno fühlte
sich veralbert.
„Du bist wohl Azubi bei der
Kripo, was?“
„Ich bin Feuerwehrhauptmann.
Meine Uniform ist leider in der Reinigung.“
„Tim!“, sagte Glockner milde.
Dann: „Wir wollen ohnehin zu Ihnen, Otterfeint. Denn möglicherweise sind Sie
der Einzige, der etwas beobachtet hat.“
Otterfeint nickte und sah zu
Oskar hin, der jetzt am Tor schnüffelte.
„Stehe ganz zu Ihrer Verfügung,
Herr Kommissar.“
„Waren Sie zwischen Viertel vor
sechs und halb sieben zu Hause?“
Alle Blicke waren auf
Otterfeint gerichtet. Der stierte himmelwärts und saugte die Lippen ein, was
wohl scharfes Überlegen ausdrücken sollte.
„Ich glaube ja. Aber auf die
Uhr habe ich nicht geguckt. Ich bin dann nämlich — könnte sein gegen halb
sieben — weggefahren.“
„Wohin?“
„Ist das ein Verhör? Wirft man
mir irgendwas vor?“
„Nicht das Geringste. Ich frage
nur. Weil wir uns kennen, möchte ich’s gern ganz genau wissen. Sie müssen nicht
antworten, denn es betrifft ja Ihr Privatleben. Eine verweigerte Auskunft würde
mich aber stutzig machen. Das hätte unweigerlich einen sehr schlimmen Verdacht
zur Folge. Dann würde ich Ihnen in der Tat was vorwerfen. Und Sie mitnehmen zum
Verhör. Also?“
„Soll ich gleich meinen Anwalt
anrufen, Kommissar?“
„Dann sagen Sie ihm, er soll
ins Präsidium kommen.“ Bruno Otterfeint verzog das Gesicht. Tim erkannte erst
mit dem zweiten Blick, dass das ein Grinsen war.
„Ich glaube, Sie können mich
nicht leiden, Herr Kommissar. Unsereins hat unter Vorurteilen zu leiden. Also
gut: Ich wollte was essen. Ich wollte zu einer Pizzeria. Aber die hat heute
geschlossen. Ausgerechnet heute! Am Samstagabend! Wohl wegen ‘nem Trauerfall.“
„Welche Pizzeria?“
„A Rinaldo — in der
Grobschmied-Straße.“
„Ihr Stammlokal?“
„Nein. War erst zweimal dort.“
„Wohin sind Sie dann gefahren?“
„Zurück. Nach Hause.“
„Nicht in eine andere
Pizzeria?“
„Nein. Hatte plötzlich keinen Hunger
mehr. Hab dann hier nur eine Semmel gegessen. Ist daran was nicht in Ordnung?“
Glockner antwortete nicht. Tim
fing seinen Blick auf. Soweit sind wir also schon, dachte der TKKG-Häuptling:
Otterfeint hat kein Alibi für die Zeit, in der er nicht hier war. Er ist
weggefahren — kurz nach Gabys Verschwinden. Und wir wissen nicht, wohin. Jetzt
versuche ich mal ‘nen Bluff. Vielleicht kann ich Bruno mit dem Hintern auf die
Kreissäge setzen.
„A Rinaldi in
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