Vergebliche Suche nach Gaby
erste Kugel war an ihm vorbeigezischt. Die zweite hatte ihn am Hals
gestreift, wo jetzt Blut tröpfelte. Zu viel für ein wildnis-untaugliches
Zoo-Tier. Igor machte die Biege.
Egon blieb liegen und
überlegte, ob es sinnvoll sei sich tot zu stellen.
Entfernt brachen Äste und
Zweige, wurden Büsche niedergetrampelt, dumpften Pranken auf den Boden. Kein
Brummen in der Nähe.
Er haut ab, dachte Egon — und
sein Herz begann wieder zu schlagen. Gerettet! O Mann! Ist das ein Abenteuer!
Die Krönung eines Wilderer-Daseins. Obschon ohne Beute. Ein Jammer, dass ich’s
keinem erzählen kann. Höchstens Otterfeint. Aber den interessiert das nicht.
Hat keine Antenne für die Großartigkeit meiner Wagnisse. Den interessiert nur
Wildbret — pro Kilo. Aber woher kommt der Bär?
Egon kroch unter der Plattform
hervor, spürte Rückenschmerzen — die Folge des Aufpralls — , schulterte sein
Gewehr und stolperte dann über seinen Rucksack.
Ein ungemütlicher Heimweg stand
bevor. Vielleicht lauerte irgendwo der Bär. Mit dieser Art Wild kannte sich
Egon nicht aus. Aber ihm war klar, dass der Schreck bei dem Raubtier nicht
anhalten würde. Was tat es dann?
Ob der aus dem Zoo ist?,
überlegte der Wilddieb. Entsprungen? Oder aus ‘nem Zirkus?
In diesem Moment tauchte der
Helikopter auf. Er kam plötzlich, schnatterte im Tiefflug über die Lichtung und
hatte zwei mächtige Scheinwerfer zu Boden gerichtet.
Das gilt mir! Die suchen mich!,
— war Egons erste Vermutung.
Er wich unter die Bäume zurück.
Erst der zweite Gedanke fuhr
auf der richtigen Schiene.
Nee! Nicht mich! Das Forstamt
hat keinen Drehflügler. Nicht bei dem schwindsüchtigen Etat, den Geldmitteln.
Die haben nicht mal genug Fahrräder. Das hier ist die Polente. Treibjagd auf
den Grisli. Also ist er tatsächlich entsprungen — und nicht zugewandert aus
ostischem Lande.
Er beobachtete den
Hubschrauber. Die Schnatterkiste kreiste über dem Kahlschlag. In den breiten
Scheinwerferbahnen sah der stoppelige Boden zivilisations-fern aus wie gerodeter
Regenwald. Irgendwelches Kleingetier huschte unter Büsche. Egon stand geschützt
hinter einem dicken Stamm und trug noch immer seine Baseballmütze, die trotz
Sturz auf dem Kopf geblieben war.
Der Hubschrauber flog jetzt
dicht vorbei. Aber das Licht konnte Egon nicht erfassen.
Er tastete seine wetterfeste
Wanderjacke ab, befühlte die Brusttaschen. War noch alles da? Brieftasche,
Notizbuch, Taschenmesser, Papiertaschentücher, die Schachtel mit den sahnigen
Lutschbonbons, über die sich die Zahnärzte freuten, weil dann wieder Bohrkosten
anfallen, und die kleine Wanderkarte von diesem Gebiet. Auf der hatte er
Eintragungen gemacht — und zwar über den Wildbestand, über Wildwechsel, über
Wildverbiss und kranke Bäume. Oh ja! Er hätte den Schreibtischhengsten vom
Forstamt noch was erzählen können.
Im Hubschrauber saßen drei
Uniformierte. Das konnte er sehen.
Großer Aufwand für Meister
Petz. Aber an öffentlicher Sicherheit darf s ja nicht mangeln — auch nicht im
Walde. Das gehört zum Programm jeder politischen Partei und jede hat ihre
speziellen Sündenböcke, gegen die man noch schärfere Gesetze braucht — oder gar
keine, indem man zum Beispiel harte Drogen zum allgemeinen Nahrungsmittel
erklärt und damit den eigenen Gehirntod vorführt.
Egon fand sein Notizbuch nicht
gleich. Verdammt! Dort standen wichtige Telefonnummern drin — auch die von
Siegfried Otterfeint. Dann entdeckte der Wilddieb das Büchlein in einer anderen
Jackentasche, war beruhigt und machte sich — querwaldes — auf den Heimweg, das
Gewehr auf der Schulter.
11. Kein
Motiv — oder doch?
An Kommissar Glockners Wagen
standen die Türen offen. Margot saß im Fond, hatte Oskar neben sich. Der
Kommissar lehnte an der Beifahrertür und hielt über Sprechfunk Kontakt mit der
Hubschrauber-Besatzung. Die Mädchen und Frau Brings waren zu deren Adresse
geeilt um sich Jacken zu holen, denn die Nacht wurde kühl. Alle würden
zurückkommen und ausharren. Die Anteilnahme an Gabys Schicksal war absolut.
Bruno Otterfeint hatte sich in seinen Bungalow zurückgezogen. Aber sicher
wähnen durfte sich der Typ nicht.
Die Jungs verfolgten den
Sprechfunk-Dialog.
„...können im Moment nichts
ausmachen, Herr Kommissar“, meldete der Pilot.
Er hieß Anton Biffke-Riedl und
galt als erfahren.
„Ich habe beim Forstamt
angerufen“, sagte Glockner. „Ich kenne den Leiter. Er hat dort seine
Dienstwohnung und war da. Von seinen Leuten ist
Weitere Kostenlose Bücher