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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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der
Grobschmied-Straße“, sagte Tim, „kenne ich zufällig. Ein Ristorante, zu dem man
hinfährt, ist das ja nun wirklich nicht. Eher ‘ne Schnellfresse für
Anspruchslose, die der tödliche Hunger reintreibt. Wieso fahren Sie dorthin,
Herr Otterfeint?“
    Der Blick aus seinen kalten
Augen war dolchspitz. „Ich bin nun mal anspruchslos, junger Freund. Außerdem
fresse ich schnell. A Rinaldo ist ganz nach meinem Geschmack. Was dagegen?“
    „Ganz und gar nicht. Sie nehmen
sicherlich immer ‘ne Tomaten-Pizza mit Froschschenkeln. Ich bin nur
verwundert.“
    „Sagt mir jetzt jemand, worum
es geht?“, wandte sich Bruno an Glockner.
    „Sie kennen doch meine
Tochter?“
    „Ihre Tochter? Nein! Woher
denn?“
    „Sie kennen Sie, Otterfeint.
Sie haben sogar mit ihr geredet — damals im Präsidium. Auf dem Flur. Gaby
wusste zuerst nicht, wer Sie sind. Ich kam dann dazu.“
    „Ah ja. Jetzt entsinne ich
mich. Die hübsche Blondine. War die netteste Person im Präsidium. Wie geht’s
ihr?“
    „Sie ist vorhin hier
vorbeigefahren — auf ihrem Fahrrad. Hatte eine ziemlich große Zimmerpalme auf
dem Gepäckträger. Das muss zur fraglichen Zeit gewesen sein. Haben Sie Gaby
gesehen?“
    Bruno schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich war nicht im Garten. Ich war hinten im Haus.“
    „Sie wissen, dass zwei
Braunbären entkommen sind?“
    „Hab’s vorhin im Radio gehört.
Ist der Truppenaufmarsch wegen der Viecher?“
    „Auch. Außerdem suchen wir
Gaby. Sie ist seitdem verschwunden.“
    „Wissen Sie denn genau, dass
sie hier war?“
    „Dort hinten unter den Bäumen
liegen ihr Rad und die Palme.“
    Bruno nickte, überlegte kurz,
was er sagen sollte, schwieg aber. Hatte wohl selbst das Empfinden, Anteilnahme
wäre die reine Heuchelei.
    Klößchen trat zu Tim. „Woher
kennst du das A Rinaldi?“ Tim grinste. „Ich kenne es nicht. Habe nur mal auf
den Busch geklopft. Ich sag dir nachher, weshalb.“
    In diesem Moment meldete sich
eine Männerstimme in dem Sprechfunkgerät, das sich Glockner umgehängt hatte.
Der Empfang war auf LAUT gestellt! Alle hörten den Hubschrauber-Piloten.
    „Herr Kommissar! Wir
überfliegen soeben den Salamander-Graben, wo die Waldschäden sind. Wir haben zwei
Schüsse gehört — Gewehrschüsse. Am Rande einer Lichtung.“

10.
Todesnähe
     
    In Sekundenschnelle raste sein
bisheriges Leben an Egon Leberle vorbei — mit allen wichtigen Ereignissen bzw.
jenen, die sein Unterbewusstsein für wichtig hielt. Egon hatte gehört von
diesem Phänomen, das manchen Menschen widerfährt — in unmittelbarer Todesnähe.
Er hatte es nicht geglaubt. Aber jetzt, während er vom Hochsitz stürzte,
erlebte er es. Unglaublich, dass gerade jetzt Tante Edeltraut in sein
Bewusstsein trat — und das nur, weil sie ihn als Neunjährigen erst mit dem
Handfeger verprügelt und dann in den Keller gesperrt hatte. Hoffentlich
schmorte sie in der Hölle, die blöde Blunze!
    Alles geschah in
Sekundenbruchteilen.
    Der Hochstand brach zusammen.
    Egon flog hinunter.
    Der Bär war verblüfft.
    Egon umklammerte sein Gewehr,
den Finger am Abzug.
    Feuer frei! Er wusste nicht, ob
er das gedacht hatte. Denn die Erinnerung holte gerade im Blitzverfahren seine
erste Liebe hervor. Helga! Eine etwas sommersprossige Schönheit mit sperrigen
Zähnen. Anonym, also heimlich, hatte er ihr Liebesgedichte geschickt, sie aber
nie angesprochen. Jetzt war sie mit einem Abteilungsleiter im Kaufhaus
Superklotz verheiratet und hatte drei Kinder.
    Der Schuss krachte.
    Ein Hochsitzbalken fiel
schneller als Egon und traf ihn an der Schulter.
    Der zweite Schuss donnerte los.
    Egon streifte den Bären,
jedenfalls sein Fell. Es roch tierisch. Egon prallte auf moosigen Waldboden,
rücklings.
    Aus!, dachte er. Und sein
Lebenslauf wurde ausgeblendet. Ich bin tot. Noch nicht ganz. Aber gleich. Jetzt
reißt mich der Bär in Stücke.
    Holz prasselte herab. Die
Plattform des Hochsitzes, die Bodenplatte — fiel auf Egon, deckte ihn zu,
verletzte ihn aber nicht, sondern landete rechts und links auf Balken, sodass
darunter ein Hohlraum blieb, wo der Wilddieb bequem lag, sogar geschützt war.
    Igor — er war’s — floh. Der Bär
war zu Tode erschrocken. Sein Rütteln am Hochsitz hatte einen bärigen Super-GAU
— einen größten anzunehmenden Unfall — ausgelöst. Herabstürzende Balken und Latten
hatten Igor getroffen — an Kopf und Schultern. Ein rostiger Nagel war durchs
Fell gedrungen. Dann dieser entsetzliche Knall — ein Desaster in Bärenohren.
Die

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