Vergebliche Suche nach Gaby
er
pieseln. Und meistens dann zeigte sich das ersehnte Wild. Zweimal schon hatte
er auf diese Weise den Schuss verpasst.
Egon schraubte die Flasche zu.
In diesem Moment hörte er das Brummen.
Er hielt inne. Was war das?
Klang ja wie ein Bär. Aber den Letzten dieser Gattung hatte man hier vor 200
Jahren erlegt.
Und jetzt wieder. Ein lautes,
ärgerliches Brummen. Es drang hervor unter den Fichten hinter ihm.
Ist da jemand, der mich...,
überlegte Egon, der mich veralbern will? Himmel, der Revierförster macht mich
lächerlich, bevor er mir seine Schrotladung aufbrennt.
Egon griff nach seinem Stutzen,
der neben ihm an der Bank lehnte, und zog die Waffe an sich heran. Sie war
durchgeladen, aber noch nicht entsichert. Im äußersten Notfall... klar doch!...
es würde zum Duell kommen: Jäger gegen Wilddieb. Und Egon, der ein vorzüglicher
Schütze war, würde ihn in den Arm, allenfalls in die Schulter schießen.
Kampfunfähig machen. Aber nicht umbringen.
Er entsicherte den Stutzen.
Egon war bereit.
Geräusche unter ihm. Er beugte
sich vor. In derselben Sekunde schwankte der Hochstand als werde er von einem
Hurrikan geschüttelt.
Egon schrie auf. Dieser Wirbelsturm
kam zu plötzlich. Der Hochsitz schwankte wie eine Luftschaukel. Das Brummen war
jetzt laut und wütend. Weit vorgebeugt, blickte der Wilddieb an der Leiter
hinab — und der Schrecken klappte ihm die Kiefer auseinander.
Unten stand, hoch aufgerichtet,
ein mächtiger Bär. Ein Braunbär offenbar. Mondlicht spiegelte sich in den
Augen. Sie starrten zu Egon herauf. Mächtige Tatzen hatten die roh gezimmerte
Leiter gepackt, rissen an ihr, zerbrachen sie in Stücke.
In derselben Sekunde wuchtete
eine Tatze gegen einen der vier Pfähle, die den Hochsitz trugen. Das genügte.
Das ohnehin wacklige Gebilde stürzte zusammen.
Egon brüllte, als er — das Gewehr
im Arm — kopfüber hinunterstürzte, dem Bären entgegen.
9. Die
Pizzeria hat geschlossen
Großeinsatz!, dachte Tim, eine
Hundertschaft sucht nach Gaby. Aber die Nacht ist unser Feind. Da helfen auch
die Scheinwerfer wenig. Wäre doch schon früher Morgen! Tageslicht! Leider
liegen noch Stunden vor uns, die ganze Nacht.
Die Polizeiwagen parkten
entlang der Noah-Straße. Kommissar Glockners Auto war die Kommando-Zentrale.
Tim, Karl und Klößchen waren hier. Vera Brings war gekommen, mit Claudia,
Sandra, Nadine und Astrid. Kein Gedanke mehr an eine Geburtstagsfeier. Alle
hatten Angst um Gaby. Manche Miene drückte aus, dass dahinter das Schlimmste
befürchtet wurde. — Eva und Gundula, die Joggerinnen, waren am Ende ihrer
Nervenkraft und deshalb nach Hause gefahren. Besser so!
Der Hubschrauber flog langsam
über das — leider unendlich große — Waldgebiet und hatte die Suchscheinwerfer
nach unten gerichtet. Das Licht beschien meistens nur die Baumwipfel, drang
nicht durch bis zum Boden. Trotzdem! Der Pilot und zwei Polizisten neben ihm
spähten. Immer wieder erfolgte die trostlose Nachricht über Sprechfunk: von
Gaby keine Spur.
Die Hundertschaft, ausgerüstet
mit Gewehren und Scheinwerfern, war in weit auseinander gezogener Kette in den
Wald eingedrungen und schon seit einer Weile nicht mehr zu sehen. Sie würden
stundenlang suchen und sicherlich die Ablösung im Morgengrauen herbeisehnen.
Die Verantwortlichen vom Zoo
hatten sich angeschlossen. Der Tierarzt, der das Narkose-Gewehr hatte, befand
sich im Mittelfeld der Menschenkette.
Glockner und die Jungs warteten
auf Gabys Mutter. Sie wollte Oskar herbringen, den schwarz-weißen
Cocker-Spaniel mit der unbestechlichen Schnüffelnase.
Vom Einsatz des Vierbeiners
versprach sich Tim mehr als von allen anderen Maßnahmen. Er wollte Oskar an der
Leine führen, wenn der auf Gabys Fährte in den Wald stürmte. Es würde ein
langer Weg werden — sicherlich viele Kilometer in südliche Richtung. Denn Gaby
war beim Angriff der Bären offensichtlich so in Panik geraten, dass sie sich
kein Halten gestattet hatte.
So und nicht anders ist es!,
dachte Tim — und machte sich Mut.
Margot Glockners Kleinwagen
rollte heran und hielt hinter dem BMW des Kommissars. Oskar saß im Fond.
Tim sah, dass Gabys Mutter
geweint hatte. Ihr apartes Gesicht war sehr blass. Sie brachte kein Lächeln zu
Wege. Sofort wurde sie von ihrem Mann in die Arme geschlossen. Er redete leise
zu ihr, beruhigend, zuversichtlich.
Und er wirkt echt, dachte Tim,
überzeugend.
Aber auch in Glockners
markantem Gesicht fehlte die Farbe.
Margot gab den Jungs die Hand —
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