Vergebung
sechzehn Stunden hätte er es schaffen können.«
»Ja, aber dann hätte er das Auto irgendwo in Finnland loswerden müssen, und auch dort ist es nicht gefunden worden.«
Sie schwiegen eine ganze Weile. Schließlich stand Bublanski auf und stellte sich ans Fenster.
»Logik und Wahrscheinlichkeit sprechen dagegen, aber Göranssons Auto ist und bleibt verschwunden. Könnte er ein Versteck gefunden haben, vielleicht ein Sommerhäuschen oder …«
»Ein Sommerhäuschen wohl kaum. Um diese Jahreszeit bringen doch alle Hausbesitzer ihre Ferienhäuser auf Vordermann.«
»Irgendeine Freundin, von der wir nichts wissen?«
Sie hatten jede Menge Spekulationen, aber keine Anhaltspunkte, die ihnen wirklich weiterhalfen.
Nachdem Svensson Feierabend gemacht hatte, ging Sonja Modig zurück zu Bublanskis Zimmer und klopfte an den Türrahmen. Er winkte sie herein.
»Hast du mal kurz zwei Minuten?«
»Worum geht’s?«
»Salander.«
»Okay.«
»Diese Sache mit Ekström und Faste und dem neuen Prozess gefällt mir gar nicht. Du hast Björcks Bericht gelesen. Ich habe Björcks Bericht gelesen. Salander ist 1991 vorsätzlich ans Messer geliefert worden, und das weiß Ekström auch. Was zum Teufel geht hier vor?«
Bublanski nahm die Brille ab und steckte sie in seine Brusttasche.
»Ich weiß nicht.«
»Hast du irgendeine Ahnung?«
»Ekström behauptet, dass Björcks Bericht und die Korrespondenz mit Teleborian Fälschungen sind.«
»Blödsinn. Wenn das Fälschungen wären, hätte Björck das gesagt, als wir ihn vorgeladen haben.«
»Ekström sagt, dass Björck sich weigerte, über die Angelegenheit zu sprechen, weil sie als streng geheim galt. Ich bin dafür kritisiert worden, dass ich vorgeprescht bin und ihn vorgeladen habe.«
»Irgendwie mag ich Ekström immer weniger.«
»Man setzt ihn auf jeden Fall von allen Seiten unter Druck.«
»Das ist keine Entschuldigung.«
»Wir haben nicht das Monopol auf die Wahrheit. Ekström behauptet, er habe Beweise dafür, dass es sich um eine Fälschung handelt - es existiere nämlich gar kein Bericht mit diesem Aktenzeichen. Außerdem behauptet er, die Fälschung sei sehr geschickt gemacht und der Inhalt eine Mischung aus Wahrheit und Fantasie.«
»Welcher Teil ist Wahrheit und welcher ist Fantasie?«
»Die Rahmenerzählung ist einigermaßen korrekt. Zalatschenko ist Lisbeth Salanders Vater und war ein mieser Typ, der ihre Mutter misshandelt hat. Das Problem war das übliche - die Mutter wollte ihn nie anzeigen, und deswegen ging das über Jahre so weiter. Björck hatte den Auftrag, herauszufinden, was bei Lisbeth Salanders Mordanschlag auf ihren Vater passiert war. Er korrespondierte also mit Teleborian - doch die gesamte Korrespondenz in der Form, wie wir sie gesehen haben, ist gefälscht. Teleborian hat eine ganz gewöhnliche psychiatrische Untersuchung bei Salander durchgeführt und festgestellt, dass sie verrückt ist. Sie brauchte Behandlung, und die bekam sie in St. Stefan.«
»Aber wenn es wirklich eine Fälschung ist … wer sollte sie dann angefertigt haben und zu welchem Zweck?«
Bublanski hob ratlos die Hände und ließ sie wieder sinken.
»Machst du dir hier einen Spaß auf meine Kosten?«
»Wenn ich das richtig verstanden habe, möchte Ekström anordnen, dass Salander noch einmal gründlich auf ihren Geisteszustand untersucht wird.«
»Das kann ich nicht akzeptieren.«
»Das ist nicht unsere Sache. Wir haben jetzt nichts mehr mit der Salander-Geschichte zu tun.«
»Und Hans Faste hat damit zu tun … Jan, ich gehe an die Presse, wenn diese Hunde sich noch einmal an Salander vergreifen …«
»Nein, Sonja. Das wirst du nicht tun. Erstens haben wir keinen Zugriff mehr auf den Bericht, somit hättest du überhaupt keine Beweise für deine Behauptungen. Du würdest dastehen wie eine Paranoide, und deine Karriere wäre gelaufen.«
»Ich habe den Bericht noch«, gestand Sonja Modig leise. »Ich habe eine Kopie für Curt gemacht, die ich ihm nicht geben konnte, da der Staatsanwalt ja alles einziehen ließ.«
»Und wenn du diesen Bericht nach außen dringen lässt, dann wirst du nicht nur gefeuert, sondern machst dich obendrein eines schweren Fehlers im Amt schuldig, weil du einen streng geheimen Ermittlungsbericht publik gemacht hast.«
Sonja Modig schwieg für einen Moment und musterte ihren Chef.
»Sonja, du wirst überhaupt nichts unternehmen. Versprich mir das.«
Sie zögerte.
»Nein, Jan, das kann ich dir nicht versprechen. An dieser Geschichte ist
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