Vergebung
er das Handy herausholen, den Akku wechseln und es zurück in den Schacht legen. Den alten Akku würde er mit nach Hause nehmen und über Nacht wieder aufladen.
Das war alles, worum Mikale Blomkvist ihn gebeten hatte.
Das würde Lisbeth Salander natürlich nicht helfen. Auf ihrer Seite der Wand war vor dem Lüftungsschacht ein Gitter festgeschraubt. Egal wie sie es anstellte, sie konnte nicht an das Handy herankommen, sofern sie nicht eine Leiter und einen Kreuzschraubenzieher zur Hand hatte.
»Ich weiß«, hatte Mikael gesagt. »Aber sie soll das Handy ja auch gar nicht anfassen.«
Das sollte Idris Ghidi also jeden Tag wiederholen, bis Mikael Blomkvist ihm mitteilte, dass es nicht mehr nötig war.
Für diese Tätigkeit kassierte Idris Ghidi jede Woche 1 000 Kronen in bar. Außerdem durfte er das Handy hinterher auch noch behalten.
Er schüttelte den Kopf. Natürlich war ihm klar, dass Mikael Blomkvist hier irgendetwas ausgetüftelt hatte, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was das sein sollte. Wenn Blomkvist nach einer Kommunikationsmöglichkeit mit Lisbeth Salander suchte, wäre es wohl bedeutend schlauer gewesen, eine der Schwestern zu bestechen, damit sie ihr das Telefon ins Zimmer schmuggelte. Die ganze Sache ermangelte jeder Logik.
Andererseits hatte Idris Ghidi nichts dagegen, Mikael Blomkvist diesen Dienst zu erweisen, solange der ihm 1 000 Kronen pro Woche zahlte. Und er hatte nicht vor, irgendwelche Fragen zu stellen.
Dr. Anders Jonasson verlangsamte seine Schritte, als er einen Mann um die 40 an der Gittertür zu seinem Haus in der Hagagatan lehnen sah. Der Mann kam ihm vage bekannt vor und nickte ihm zu, als würde er ihn ebenfalls kennen.
»Dr. Jonasson?«
»Ja, das bin ich.«
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie auf der Straße vor Ihrer Wohnung belästige. Aber ich wollte Sie nicht bei der Arbeit stören, und ich muss mit Ihnen reden.«
»Worum geht es, und wer sind Sie?«
»Mein Name ist Mikael Blomkvist. Ich bin Journalist und arbeite für die Zeitschrift Millennium . Es geht um Lisbeth Salander.«
»Ach ja, jetzt erkenne ich Sie auch wieder. Sie hatten den Notarzt alarmiert, nachdem sie gefunden wurde … Hatten Sie ihr die Schusswunden mit diesem silbernen Klebeband zugeklebt?«
»Ja, das war ich.«
»Das war sehr geistesgegenwärtig. Aber ich bedaure. Ich kann mit Journalisten nicht über meine Patienten reden. Sie müssen sich an die Pressestelle des Sahlgrenska-Krankenhauses wenden wie alle anderen.«
»Sie haben mich missverstanden. Ich will keine Informationen und bin in einer rein privaten Angelegenheit hier. Sie brauchen kein Wort zu sagen. Es ist genau umgekehrt. Ich will Ihnen eine Information geben.«
Anders Jonasson runzelte die Stirn.
»Bitte«, bat Mikael Blomkvist. »Es ist sonst wirklich nicht meine Art, Chirurgen einfach so auf der Straße anzusprechen, aber es ist sehr wichtig, dass ich mich mit Ihnen unterhalte. Um die Ecke, ein Stückchen die Straße hinunter, gibt es ein Café. Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?«
»Worüber wollen Sie sprechen?«
»Über Lisbeth Salanders Zukunft und ihr Wohlbefinden. Ich bin ihr Freund.«
Anders Jonasson zögerte eine ganze Weile. Er wusste, wäre es jemand anders gewesen als Mikael Blomkvist - wäre ein unbekannter Mensch auf diese Art an ihn herangetreten -, dann hätte er abgelehnt. Aber die Tatsache, dass Blomkvist so bekannt war, gab Jonasson eine gewisse Sicherheit, dass es sich nicht um irgendwelchen Unfug handelte.
»Ich will unter keinen Umständen interviewt werden …«
»Versprochen«, entgegnete Blomkvist.
Schließlich nickte Anders Jonasson kurz und folgte Blomkvist in das vorgeschlagene Café.
»Also, worum geht es?«, erkundigte er sich in neutralem Ton, als sie ihre Kaffeetassen vor sich stehen hatten. »Ich werde Ihnen zuhören, aber ich habe nicht vor, irgendwelche Kommentare abzugeben.«
»Sie haben Angst, dass ich Sie direkt oder indirekt zitiere. Ich möchte gleich von Anfang an klarstellen, dass das niemals passieren wird. Was mich betrifft, hat dieses Gespräch niemals stattgefunden.«
»Gut, ich vertraue Ihnen.«
»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Aber bevor ich das tue, muss ich Ihnen erklären, warum ich Sie darum bitte. Dann können Sie dazu Stellung nehmen, ob es für Sie moralisch vertretbar ist, mir diesen Gefallen zu tun.«
»Dieses Gespräch gefällt mir nicht so richtig.«
»Sie müssen nur zuhören. Als Lisbeth Salanders Arzt haben
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