Vergebung
Seite stehen. Aber das gilt nicht für den Leiter der Voruntersuchung, der sie angeklagt hat.«
»Nein, ganz offensichtlich nicht.«
»Lisbeth braucht Hilfe vor diesem Prozess.«
»Ja, aber ich bin kein Anwalt.«
»Aber Sie sind Arzt und haben Zugang zu ihr.«
Dr. Jonassons Augen verengten sich.
»Worum ich Sie bitten möchte, ist unethisch und könnte möglicherweise sogar als Gesetzeswidrigkeit gelten.«
»Aha.«
»Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Wie Sie wissen, hat Lisbeth Besuchsverbot und darf weder Zeitung lesen noch mit ihrer Umwelt kommunizieren. Der Staatsanwalt hat auch absolutes Redeverbot über ihre Anwältin verhängt. Annika hält sich tapfer an diese Vorschriften. Doch der Staatsanwalt selbst ist die Hauptquelle der Informationen, die an Journalisten durchsickern, und so werden weiterhin jede Menge Verleumdungen über Lisbeth in die Welt gesetzt.«
»Tatsächlich?«
»Zum Beispiel diese.« Mikael hielt eine Zeitung der vergangenen Woche hoch. »Eine Quelle innerhalb des Ermittlungsteams behauptet, dass Lisbeth unzurechnungsfähig sei, woraufhin die Zeitung eine ganze Reihe von Spekulationen über ihren Geisteszustand anstellt.«
»Den Artikel hab ich auch gelesen. Reiner Blödsinn.«
»Sie halten Lisbeth also nicht für verrückt.«
»Dazu kann ich nichts sagen. Doch ich wüsste von keinem einzigen psychologischen Gutachten. Also ist der Artikel Blödsinn.«
»Okay. Aber ich kann belegen, dass ein Polizist namens Hans Faste, der direkt für Staatsanwalt Ekström arbeitet, diese Angaben an die Presse weitergegeben hat.«
»Wirklich?«
»Ekström wird beantragen, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, was bedeutet, dass kein Außenstehender das Beweismaterial gegen sie durchsehen und bewerten kann. Aber was noch viel schlimmer ist … indem der Staatsanwalt Lisbeth isoliert hat, kann sie die Recherchen nicht anstellen, die sie braucht, um sich zu verteidigen.«
»Das sollte aber doch die Aufgabe ihrer Anwältin sein.«
»Wie Ihnen sicher schon aufgefallen ist, ist Lisbeth eine ganz besondere Persönlichkeit. Sie hat Geheimnisse, die mir bekannt sind, die ich meiner Schwester aber nicht einfach verraten kann. Hingegen kann Lisbeth selbst entscheiden, ob sie diese Geheimnisse für ihre Verteidigung im Prozess verwenden will.«
»Aha.«
»Und um das tun zu können, braucht Lisbeth das hier.«
Mikael legte Lisbeth Salanders Palm Tungsten T3 und ein Batterieladegerät auf den Cafétisch.
»Das ist die wichtigste Waffe in Lisbeths Arsenal. Sie braucht sie.«
Misstrauisch betrachtete Dr. Jonasson den Palm.
»Warum geben Sie den nicht ihrer Anwältin?«
»Weil nur Lisbeth weiß, wie sie an das Beweismaterial herankommt.«
Dr. Jonasson blieb eine Weile stumm, ohne den Palm anzurühren.
»Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen etwas über Dr. Peter Teleborian erzähle«, begann Mikael und zückte den Ordner, in dem er alles wichtige Material gesammelt hatte.
Sie saßen über zwei Stunden zusammen und unterhielten sich leise.
Es war kurz nach acht am Samstagabend, als Dragan Armanskij das Büro von Milton Security verließ und zur Synagoge der Söder-Gemeinde in der St. Paulsgatan ging. Er klopfte an, stellte sich vor und wurde vom Rabbi persönlich eingelassen.
»Ich bin hier mit einem Bekannten verabredet«, erklärte Armanskij.
»Ein Stockwerk höher. Ich zeige Ihnen den Weg.«
Der Rabbi gab ihm eine Kippa, die Armanskij zögernd aufsetzte. Er war in einer muslimischen Familie aufgewachsen, in der das Tragen einer Kippa und Besuche in jüdischen Synagogen nicht zur täglichen Routine gehörten. Die Kopfbedeckung machte ihn befangen.
Jan Bublanski trug ebenfalls eine.
»Hallo, Dragan. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich habe mir vom Rabbi ein Zimmer ausgebeten, damit wir uns ungestört unterhalten können.«
Armanskij nahm gegenüber von Bublanski Platz.
»Ich nehme an, Sie haben gute Gründe für diese Heimlichtuerei.«
»Ich will die Dinge nicht unnötig in die Länge ziehen. Ich weiß, dass Sie mit Lisbeth Salander befreundet sind.«
Armanskij nickte.
»Ich will wissen, was Blomkvist und Sie für Pläne geschmiedet haben, um ihr zu helfen.«
»Wie kommen Sie darauf, dass wir irgendwelche Pläne geschmiedet haben?«
»Weil Staatsanwalt Ekström schon ein Dutzend Mal bei mir nachgefragt hat, wie viel Einblick Milton Security eigentlich in die Salander-Ermittlungen bekommen hat. Und das fragt er nicht aus Spaß, sondern weil er
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