Vergebung
russischer Überläufer, und wer sonst hätte sich um ihn kümmern sollen, wenn nicht die SiPo? Und wer hätte die Möglichkeit gehabt, Lisbeth Salander 1991 in die Psychiatrie zu sperren? Ganz zu schweigen von all den Einbrüchen, Überfällen und abgehörten Telefonen vor fünfzehn Jahren … Aber ich glaube auch nicht, dass die SiPo dahintersteckt. Mikael Blomkvist nennt sie die Zalatschenko-Gruppe … eine kleine Gruppe von Sektierern, überwinterte Kalte Krieger, die sich in irgendeinem schattigen Korridor der SiPo verbergen.«
Bublanski nickte.
»Was können wir also unternehmen?«
12. Kapitel
Sonntag, 15. Mai - Montag, 16. Mai
Kommissar Torsten Edklinth, Chef des Verfassungsschutzes bei der Sicherheitspolizei, kniff sich ins Ohrläppchen und musterte nachdenklich den Geschäftsführer der angesehenen privaten Sicherheitsfirma Milton Security, der ihn aus heiterem Himmel angerufen und darauf bestanden hatte, ihn am Sonntag zu sich nach Hause zum Essen einzuladen. Armanskijs Frau Ritva hatte einen herrlichen Eintopf aufgetischt. Man aß und trieb höfliche Konversation, doch Edklinth fragte sich die ganze Zeit, was Armanskij wirklich wollte. Nach dem Essen zog sich Ritva vor den Fernseher zurück und ließ die beiden am Esstisch allein. Und dann begann Armanskij langsam die Geschichte von Lisbeth Salander auszubreiten.
Edklinth schwenkte langsam sein Rotweinglas.
Dragan Armanskij war kein Idiot. Das wusste er.
Edklinth und Armanskij kannten sich seit zwölf Jahren, seitdem eine weibliche Reichstagsabgeordnete der Linkspartei eine Reihe anonymer Morddrohungen erhalten hatte, woraufhin die Sicherheitsabteilung des Reichstags informiert worden war. Die vulgären Drohungen waren in schriftlicher Form erfolgt und enthielten Informationen, die darauf hindeuteten, dass der anonyme Briefeschreiber tatsächlich gewisse Kenntnisse über die Reichstagsabgeordnete besaß. Damit wurde die Geschichte auch für die Sicherheitspolizei interessant. Während der Ermittlungen erhielt die Politikerin strengen Personenschutz.
Zu jener Zeit machte der Personenschutz den kleinsten Etat innerhalb der Sicherheitspolizei aus. Sie verfügte nur über begrenzte Ressourcen. Der Personenschutz ist in erster Linie für das Königshaus und den Ministerpräsidenten verantwortlich und darüber hinaus, je nach Bedarf, für einzelne Minister oder Parteivorsitzende. Doch oft übersteigt der Bedarf die Mittel, und in Wirklichkeit genießen die meisten schwedischen Politiker kaum richtigen Personenschutz. Die besagte Reichstagsabgeordnete war damals bei ein paar öffentlichen Auftritten bewacht, aber am Ende ihres Arbeitstages wieder sich selbst überlassen worden, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Gefahr am größten war, dass ein verrückter Stalker zuschlagen würde. Das Misstrauen der Abgeordneten in die Fähigkeit der Sicherheitspolizei, ihr Schutz zu bieten, stieg rasch.
Sie wohnte in ihrem eigenen Haus in Nacka. Als sie eines Abends nach erbitterten Kämpfen im Finanzausschuss spät nach Hause kam, entdeckte sie, dass jemand durch die Verandatür in ihre Wohnung eingebrochen war, sexistische Kritzeleien an den Wohnzimmerwänden hinterlassen und in ihrem Schlafzimmer onaniert hatte. Da griff sie zum Hörer und heuerte Milton Security zu ihrem Schutz an. Die Sicherheitspolizei setzte sie von dieser Entscheidung nicht in Kenntnis, und als sie am nächsten Morgen in einer Schule in Täby auftreten sollte, kam es zu einem Frontalzusammenstoß zwischen staatlichen und privaten Leibwächtern.
Zu dieser Zeit war Torsten Edklinth stellvertretender Chef des Personenschutzes. Es war ihm ein Dorn im Auge, dass private Sicherheitsdienste Aufgaben ausführen sollten, die in sein Gebiet fielen. Er sah zwar ein, dass die Abgeordnete Grund zur Klage hatte - allein ihr besudeltes Bett war Beweis genug für den Mangel an staatlicher Effektivität. Doch statt sich auf ein Kräftemessen einzulassen, dachte Edklinth nach und verabredete sich mit Dragan Armanskij, dem Chef von Milton Security, zum Mittagessen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Lage vermutlich ernster war, als die SiPo zunächst angenommen hatte, und dass es allen Anlass gab, den Schutz der Politikerin zu verbessern. Edklinth war auch klug genug, um einzusehen, dass Armanskijs Leute nicht nur die erforderliche Kompetenz für diesen Job besaßen - sie hatten eine mindestens ebenso gute Ausbildung und wahrscheinlich die bessere technische Ausrüstung. Sie lösten das Problem so, dass
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