Vergebung
Armanskijs Leute den Personenschutz übernahmen, während die Sicherheitspolizei das Verbrechen untersuchte und die Rechnungen bezahlte.
Zudem entdeckten die zwei Männer, dass sie sich ziemlich sympathisch waren und gut zusammenarbeiten konnten, was sie dann im Laufe der Jahre auch noch ein paarmal taten. Daher hatte Edklinth allen Respekt vor Armanskijs professioneller Kompetenz und nicht gezögert, als ihn dieser zum Essen eingeladen hatte.
Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass Armanskij ihm eine Bombe mit brennender Lunte in den Schoß legen würde.
»Wenn ich dich richtig verstehe, behauptest du, dass die Sicherheitspolizei in kriminelle Machenschaften verstrickt ist.«
»Nein«, widersprach Armanskij, »da hast du mich missverstanden. Ich behaupte, dass ein paar Personen, die bei der Sicherheitspolizei angestellt sind, in kriminelle Machenschaften verstrickt sind. Nicht eine Sekunde lang würde ich glauben, dass das von der Führungsspitze der SiPo sanktioniert oder von staatlicher Seite abgesegnet worden ist.«
Edklinth besah sich Christer Malms Fotos des Mannes, der in ein Auto mit einen Nummernschild stieg, das mit den Buchstaben KAB begann.
»Dragan … du spielst mir hier doch keinen Streich, oder?«
»Ich wünschte, es wäre ein Witz.«
Edklinth überlegte eine Weile.
»Und was zum Teufel, meinst du, könnte ich hier unternehmen?«
Am nächsten Morgen polierte Torsten Edklinth sorgfältig seine Brille, während er nachdachte. Er hatte graue Haare, große Ohren und ein markantes Gesicht. Im Moment wirkten seine Gesichtszüge jedoch eher verwirrt als markant. Er befand sich in seinem Dienstzimmer auf Kungsholmen und hatte den Großteil der Nacht wach gelegen und darüber nachgedacht, was Armanskij ihm erzählt hatte.
Es waren keine angenehmen Überlegungen. Die Sicherheitspolizei war die einzige Institution in Schweden, die nach Meinung aller Parteien (na ja, fast aller Parteien) von unschätzbarem Wert war, der aber gleichzeitig auch alle zu misstrauen schienen. Zweifellos hatte es diverse Skandale gegeben, nicht zuletzt in den linksradikalen 70er-Jahren, als es so einige … nun ja, verfassungswidrige Übergriffe gegeben hatte. Doch fünf staatliche und hart kritisierte SiPo-Untersuchungen später war eine neue Generation von Beamten herangewachsen. Es war eine jüngere Schule von Aktivisten, die man aus den Wirtschafts-, Waffen- und Betrugsdezernaten der normalen Polizei rekrutierte - Polizisten, die es gewohnt waren, tatsächliche Verbrechen zu untersuchen und nicht politische Hirngespinste.
Die Sicherheitspolizei war modernisiert worden, und nicht zuletzt der Verfassungsschutz spielte eine ganz neue, bedeutende Rolle. Die Aufgabe der SiPo wurde von der Regierung so definiert, dass sie Bedrohungen der inneren Sicherheit des Reichs vorbeugen oder sie aufdecken sollte. Als solche Bedrohungen galten illegale Machenschaften, die darauf abzielen, mit Gewalt, Drohungen oder Zwang in das Schicksal unseres Staates einzugreifen, politische Entscheidungsträger oder Behörden in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen oder einzelne Bürger daran zu hindern, ihre durchs Grundgesetz gesicherten Freiheitsrechte wahrzunehmen.
Die Aufgabe des Verfassungsschutzes bestand also darin, die schwedische Demokratie gegen reale oder eingebildete antidemokratische Kräfte zu verteidigen. Dazu zählten vor allem Anarchisten und Neonazis. Anarchisten deswegen, weil sie ihren zivilen Ungehorsam in Form von Brandanschlägen auf Pelzgeschäfte auslebten, bei denen durchaus auch Menschen zu Schaden kamen. Neonazis, weil sie Neonazis und somit per definitionem Gegner der Demokratie waren.
Nach seiner juristischen Ausbildung hatte Edklinth als Staatsanwalt angefangen und danach einundzwanzig Jahre lang für die SiPo gearbeitet. Zuerst hatte er einen Posten in der Verwaltung des Personenschutzes innegehabt und danach für den Verfassungsschutz gearbeitet, bis er schließlich Ministerialdirektor wurde. Im polizeilichen Teil des Apparats, der die Verantwortung für die schwedische Demokratie trug, war er also der höchste Chef. Kommissar Torsten Edklinth betrachtete sich selbst als Demokrat. In dieser Hinsicht war die Definition einfach. Die Verfassung war vom Reichstag beschlossen worden, und er hatte dafür zu sorgen, dass sie unangetastet blieb.
Die schwedische Demokratie baut im Kern auf einem einzigen Recht auf, nämlich der Meinungsfreiheit. Es ist das unveräußerliche Recht, zu sagen, zu denken und zu
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