Vergebung
ich hab nicht vor, dir deine Story wegzuschnappen.«
»Entschuldige … ich wollte deiner Frage nicht ausweichen. Die Dinge sind im Moment nur ein bisschen verwirrend. Ich erzähl dir gern alles, aber das dauert dann die halbe Nacht. Wie ist es denn so, Chefin bei der SMP zu sein?«
»Es ist nicht gerade Millennium .«
Sie schwieg einen Augenblick.
»Wenn ich abends nach Hause komme, schlafe ich ein, als hätte man mir den Stecker rausgezogen, und wenn ich aufwache, habe ich schon wieder den Budgetplan vor Augen. Ich vermisse dich. Können wir nicht einfach zu dir gehen und schlafen? Für Sex fehlt mir die Kraft, aber ich würde mich gern einkuscheln und bei dir schlafen.«
»Tut mir leid, Ricky. Aber meine Wohnung ist momentan keine gute Idee.«
»Warum nicht? Ist was passiert?«
»Na ja … eine Bande hat meine Wohnung verwanzt und hört jedes Wort mit, das ich darin spreche. Ich habe selbst eine versteckte Überwachungskamera montiert, die zeigt, was dort geschieht, wenn ich nicht zu Hause bin. Ich glaube, wir sollten der Nachwelt den Anblick deines nackten Hinterns ersparen.«
»Machst du Witze?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein. Aber deswegen wollte ich dich ja auch gar nicht treffen.«
»Was ist denn passiert? Du siehst so komisch aus.«
»Tja … du hast ja jetzt bei der SMP angefangen. Und wir bei Millennium sind über eine Story gestolpert, die deinen Aufsichtsratsvorsitzenden erledigen wird. Es geht darum, dass ein Unternehmen von der Arbeit von Kindern und Strafgefangenen in Vietnam profitiert. Ich glaube, wir stecken hier in einem ganz schönen Interessenkonflikt.«
Erika legte die Gabel aus der Hand und starrte Mikael an. Sie sah sofort, dass er keine Scherze machte.
»Folgendermaßen sieht es aus«, erklärte er. »Borgsjö ist Aufsichtsratsvorsitzender und Mehrheitseigner einer Firma namens SveaBygg, die wiederum ein Tochterunternehmen namens Vitavara AB hat. Die lassen in Vietnam Toilettenschüsseln von einem Unternehmen herstellen, das von der UNO auf die schwarze Liste gesetzt wurde, weil dort Kinder arbeiten.«
»Sag das noch mal.«
Mikael breitete detailliert die Story aus, die Henry Cortez recherchiert hatte. Er öffnete seine Umhängetasche und zog eine Kopie der Dokumentation hervor. Erica las Cortez’ Artikel einmal langsam durch. Schließlich blickte sie auf und sah Mikael in die Augen. Sie verspürte Panik, gemischt mit Skepsis.
»Wie zum Teufel kommt es, dass Millennium sofort den Aufsichtsrat der SMP unter die Lupe nimmt, nachdem ich bei euch aufgehört habe?«
»So war das nicht, Ricky.«
Er erklärte ihr, wie die Story zustande gekommen war.
»Und seit wann weißt du das hier?«
»Seit heute Nachmittag. Mir macht diese ganze Entwicklung ja auch Kopfschmerzen.«
»Was werdet ihr jetzt tun?«
»Ich weiß nicht. Veröffentlichen müssen wir. Wir können keine Ausnahme machen, nur weil es um deinen Chef geht. Aber niemand von uns will dir schaden.« Er warf die Hände in die Luft. »Wir sind ziemlich verzweifelt, nicht zuletzt Henry.«
»Ich sitze immer noch im Millennium -Führungskreis. Ich bin Teilhaberin … Das wird so aussehen, als …«
»Ich weiß genau, wonach das aussehen wird. Das wird dich bei der SMP in enorme Schwierigkeiten bringen.«
Erika spürte, wie die Müdigkeit ihr zu schaffen machte. Sie biss die Zähne zusammen und unterdrückte den Impuls, Mikael zu bitten, von einer Veröffentlichung Abstand zu nehmen.
»Oh, verdammt!«, sagte sie. »Es gibt also keinen Zweifel, dass diese Geschichte wasserdicht ist?«
Mikael schüttelte den Kopf.
»Ich habe den ganzen Abend damit verbracht, Henrys Dokumentation durchzugehen. Da kommt Borgsjö nicht mehr raus.«
»Was werdet ihr tun?«
»Was hättest du getan, wenn du vor zwei Monaten dieser Story auf die Spur gekommen wärst?«
Erika Berger sah aufmerksam den Mann an, der seit zwanzig Jahren ihr Freund und Liebhaber war. Dann senkte sie den Blick.
»Du weißt, was ich getan hätte.«
»Das ist einfach alles ein katastrophaler Zufall. Nichts davon geht gegen dich. Es tut mir so furchtbar leid. Deswegen hab ich ja auch darauf bestanden, dass wir uns sofort treffen. Wir müssen entscheiden, wie wir jetzt weiter verfahren.«
»Wir?«
»Also, es ist so … diese Story war fürs Juniheft geplant. Ich habe sie bereits rausgenommen. Sie wird frühestens im August erscheinen und kann auch noch weiter geschoben werden, wenn das für dich besser ist.«
»Verstehe.«
In ihrer Stimme lag ein bitterer
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