Vergebung
Efexor. Er hätte sich eigentlich krankschreiben lassen müssen, hat seinen Zustand aber vor den Kollegen verheimlicht.«
»Was für einen Zustand?«, fragte Spångberg scharf.
»Woran er genau leidet, weiß ich natürlich nicht - der Arzt hat ja Schweigepflicht -, aber die Psychopharmaka, die er einnimmt, sind zum Teil stark angstlösend, zum Teil stimmungsaufhellend. Er war gestern Nacht ganz einfach nicht auf der Höhe.«
»Ach, du lieber Gott!«, sagte Spångberg mit Nachdruck. Sie sah aus wie das Gewitter, das in den Morgenstunden über Göteborg hinweggezogen war. »Ich will mit Paulsson sprechen. Sofort!«
»Das dürfte schwierig werden. Er ist am Morgen zusammengebrochen und wurde wegen Überanstrengung ins Krankenhaus eingeliefert. Wir hatten einfach das denkbar größte Pech, dass er in diesem Moment im Einsatz war.«
»Darf ich noch mal nachfragen?«, hakte der Leiter des Gewaltdezernats nach. »Paulsson hat Mikael Blomkvist gestern Nacht also festgenommen?«
»Er hat einen Bericht angefertigt und ihn wegen Beleidigung, wegen Widerstands gegen einen Vollstreckungsbeamten und wegen illegalen Waffenbesitzes angezeigt.«
»Was sagt Blomkvist dazu?«
»Er gibt die Beleidigung zu, behauptet aber, quasi in Notwehr gehandelt zu haben. Er meint, er habe vehement versucht, Torstensson und Andersson davon abzuhalten, Niedermann festnehmen zu wollen, ohne Verstärkung zu rufen.«
»Gibt es Zeugen?«
»Nur Torstensson und Andersson selbst. Also an Widerstand gegen einen Vollstreckungsbeamten glaube ich einfach nicht. Das ist so eine typische Reaktion Paulssons, um eventuellen Klagen von Blomkvist zuvorzukommen.«
»Und Blomkvist hatte Niedermann allein überwältigt?«, fragte die Staatsanwältin Agneta Jervas.
»Mit vorgehaltener Waffe.«
»Also besaß Blomkvist eine Waffe. Dann hätte seine Festnahme zumindest eine gewisse Berechtigung gehabt. Woher hatte er die Waffe?«
»Dazu wollte er sich nicht äußern, bevor er mit einem Anwalt gesprochen hat. Aber Paulsson hat Blomkvist ja festgenommen, während er versuchte, seine Waffe der Polizei zu übergeben .«
»Darf ich mal einen inoffiziellen Vorschlag machen?«, sagte Sonja Modig vorsichtig.
Alle sahen sie an.
»Ich bin Mikael Blomkvist im Laufe der Ermittlungen mehrmals begegnet und schätze ihn als eine ziemlich besonnene Person ein, auch wenn er Journalist ist. Ich denke, dass wohl Sie über eine eventuelle Anklage entscheiden …« Sie blickte zu Agneta Jervas, die kurz nickte. »In diesem Fall - also das mit der angeblichen Beleidigung und dem Widerstand gegen einen Vollstreckungsbeamten können wir doch wohl vergessen.«
»Vermutlich. Aber illegaler Waffenbesitz wiegt ein bisschen schwerer.«
»Ich würde vorschlagen, dass Sie noch ein wenig abwarten. Blomkvist hat diese ganze Geschichte auf eigene Faust herausbekommen und ist uns damit um Längen voraus. Wir sollten mit ihm zusammenarbeiten, statt zu riskieren, dass er das gesamte Polizeikorps in den Medien bloßstellt.«
Sie verstummte. Nach ein paar Sekunden räusperte sich Marcus Erlander. Wenn Sonja Modig sich so weit aus dem Fenster lehnte, dann wollte er nicht zurückstehen.
»Ich muss meiner Kollegin zustimmen. Ich habe Blomkvist ebenfalls als sehr vernünftigen Menschen erlebt. Ich habe mich bei ihm sogar für die Behandlung in der gestrigen Nacht entschuldigt. Er scheint bereit, in dieser Sache fünfe gerade sein zu lassen. Außerdem ist er eine integre Persönlichkeit. Er hat Lisbeth Salanders Wohnung ausfindig gemacht, weigert sich aber, uns die Adresse mitzuteilen. Er hat keine Angst, sich einer öffentlichen Diskussion mit der Polizei zu stellen … und er befindet sich in einer Position, in der seine Stimme in den Massenmedien genauso viel zählen wird wie irgendeine Anzeige von Paulsson.«
»Aber er weigert sich, Informationen über Salander an die Polizei weiterzugeben.«
»Er sagt, dass wir Lisbeth Salander selbst danach fragen müssen.«
»Was ist es denn für eine Waffe?«, wollte Jervas wissen.
»Ein Colt 1911 Government. Seriennummer unbekannt. Ich habe die Waffe an die kriminaltechnische Abteilung geschickt, aber wir wissen noch nicht, ob sie schon einmal in Zusammenhang mit einem Verbrechen in Schweden aufgetaucht ist. Sollte das der Fall sein, sieht die Sache freilich schon wieder anders aus.«
Monica Spångberg hob den Stift.
»Agneta, ob Sie eine Voruntersuchung gegen Blomkvist einleiten wollen, entscheiden Sie selbst. Ich schlage vor, Sie warten noch den
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