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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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nächsten Vorgesetzten gewandt und Protest eingelegt.
    Doch so, wie die Dinge lagen, gab es niemanden, bei dem er sich hätte beschweren können. Er war allein und auf Gnade oder Ungnade einem Mann ausgeliefert, den er für geisteskrank hielt. Und das Schlimmste war: Clintons Autorität war ungebrochen. Ob nun Grünschnäbel wie Jonas Sandberg oder altgediente Mitarbeiter wie Georg Nyström - alle schienen sich dem Kommando des alten, kranken Mannes zu beugen und seinem geringsten Wink zu gehorchen.
    Er gab zu, dass Clinton mit seiner Autorität nicht polternd auftrat und auch keine egoistischen Ziele verfolgte. Er musste sogar anerkennen, dass Clinton nur das Beste für die Sektion im Auge hatte, zumindest das, was er für das Beste hielt. Es war, als befände sich die gesamte Organisation im freien Fall, in einem Zustand kollektiver Suggestion, in dem erfahrene Mitarbeiter sich der Einsicht verschlossen, dass sie sich mit jeder Bewegung und mit jeder Entscheidung, die hier getroffen und durchgesetzt wurde, immer weiter dem Abgrund näherten.
    Wadensjöö spürte einen gewissen Druck auf der Brust, als er in die Linnégatan abbog, wo er sein Auto heute geparkt hatte. Er schaltete die Alarmanlage aus, zog die Schlüssel aus der Tasche und wollte gerade die Autotür aufmachen, als er plötzlich eine Bewegung hinter sich wahrnahm und sich umdrehte. Er blinzelte ins Gegenlicht. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe er den hochgewachsenen Mann auf dem Bürgersteig erkannte.
    »Guten Abend, Herr Wadensjöö«, grüßte Torsten Edklinth, der Chef des Verfassungsschutzes. »Ich war zwar seit zehn Jahren nicht mehr im Außendienst, aber heute dachte ich, dass meine Anwesenheit von Nutzen sein könnte.«
    Wadensjöö blickte verwirrt auf die beiden Polizisten in Zivil, die Edklinth flankierten. Es waren Jan Bublanski und Marcus Erlander.
    Auf einmal wusste er, was jetzt geschehen würde.
    »Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der Generalstaatsanwalt beschlossen hat, Sie in Untersuchungshaft zu nehmen, und zwar wegen einer so langen Liste von Verbrechen, dass es Wochen dauern dürfte, sich überhaupt einen Überblick zu verschaffen.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Wadensjöö empört.
    »Das soll heißen, dass Sie jetzt festgenommen werden, weil Sie der Beteiligung an einem Mord verdächtigt werden. Außerdem werden Sie der Erpressung verdächtigt, der Bestechung, des widerrechtlichen Abhörens von Telefonanlagen, der Urkundenfälschung in mehreren Fällen, der schweren Unterschlagung, der Beteiligung am Einbruch, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Spionage und diverser anderer Vergehen. Und deswegen werden wir beide jetzt schön nach Kungsholmen fahren und uns heute Abend in aller Ruhe unterhalten.«
    »Ich habe keinen Mord begangen«, protestierte Wadensjöö atemlos.
    »Das werden unsere Ermittlungen zeigen.«
    »Das war Clinton. Das war alles immer nur Clinton«, erklärte Wadensjöö.
    Torsten Edklinth nickte zufrieden.
     
    Jeder Polizist ist mit der Tatsache vertraut, dass es zwei klassische Methoden gibt, um einen Verdächtigen zu verhören. Der böse Polizist und der nette Polizist. Der böse Polizist droht, flucht und schlägt mit der Faust auf den Tisch, um den Verhafteten einzuschüchtern. Der nette Polizist bietet ihm Zigaretten und Kaffee an, nickt sympathisch und schlägt einen vertraulichen Ton an.
    Die meisten Polizisten - wenn auch nicht alle - wissen, dass die Vernehmungstechnik des netten Polizisten meist zu den besten Resultaten führt. Der abgebrühte Ganove lässt sich vom bösen Polizisten nämlich nicht im Geringsten beeindrucken. Und der unsichere Amateur, der vom bösen Polizisten vielleicht so erschreckt wird, dass er gesteht, hätte mit größter Wahrscheinlichkeit so oder so ein Geständnis abgelegt, ganz unabhängig von der Vernehmungstechnik.
    Mikael Blomkvist hörte das Verhör von Birger Wadensjöö im Nebenzimmer mit. Seine Anwesenheit hatte Anlass zu einigen internen Disputen gegeben, bis Edklinth schließlich entschied, dass er wahrscheinlich von Mikaels Beobachtungen profitieren würde.
    Wie Mikael feststellte, wendete Edklinth eine dritte Variante des Verhörs an, nämlich die des desinteressierten Polizisten, die in diesem Fall bestens zu funktionieren schien. Edklinth kam ins Vernehmungszimmer, servierte Kaffee in Porzellantassen, schaltete das Tonbandgerät ein und lehnte sich zurück.
    »Folgendermaßen sieht es aus: Wir haben bereits alle möglichen

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