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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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auf und trat auf den Korridor. Aus dem Schwesternzimmer drang leise Musik. Trotzdem schleppte er sich bis zum Ausgang am Ende des Flurs, machte die Tür auf und spähte ins Treppenhaus. Dort befanden sich die Fahrstühle. Er ging über den Korridor zurück. Als er an Lisbeth Salanders Zimmer vorbeikam, blieb er kurz stehen und stützte sich eine halbe Minute auf seine Krücken.
     
    Die Schwestern hatten ihre Zimmertür nachts geschlossen. Lisbeth Salander schlug die Augen auf, als sie ein schwaches schleifendes Geräusch vom Korridor hörte, das sie nicht identifizieren konnte. Für einen Moment war es ganz still, und sie fragte sich schon, ob sie es sich nur eingebildet hatte. Nach einer halben Minute hörte sie das Geräusch wieder. Ihr Unbehagen wuchs.
    Irgendwo da draußen war Zalatschenko.
    Sie fühlte sich in ihrem Bett wie gefesselt. Unter ihrer Halskrause juckte es. Sie hatte solche Lust, aufzustehen. Inzwischen konnte sie sich immerhin schon im Bett aufsetzen. Sie ließ sich wieder zurücksinken und legte den Kopf aufs Kissen.
    Nach einer Weile tastete sie die Halskrause ab und fand den Knopf, der sie zusammenhielt. Sie öffnete ihn und warf den Stützkragen auf den Boden. Plötzlich ließ es sich viel leichter atmen.
    Sie wünschte, sie hätte eine Waffe in Reichweite gehabt oder zumindest Kraft genug, um aufzustehen und sich Zalatschenko ein für alle Mal vom Hals zu schaffen.
    Schließlich stützte sie sich auf den Ellbogen, schaltete das Nachtlicht an und sah sich im Zimmer um. Doch nirgendwo konnte sie etwas entdecken, das sich als Waffe hätte verwenden lassen. Dann fiel ihr Blick auf einen Tisch, der drei Meter von ihrem Bett entfernt stand. Jemand hatte einen Bleistift darauf liegen lassen.
    Sie wartete, bis die Nachtschwester ihre Runde gedreht hatte, was in dieser Nacht ungefähr alle halbe Stunde geschah. Sie deutete die abnehmende Häufigkeit dieser Besuche so, dass die Ärzte ihren Zustand für besser hielten als zu Anfang des Wochenendes, als man noch jede Viertelstunde nach ihr geschaut hatte. Sie selbst konnte keinen wesentlichen Unterschied bemerken.
    Als sie wieder allein war, mobilisierte sie alle Kraft und schwang die Beine über die Bettkante. An ihrem Körper waren Elektroden befestigt, die ihren Puls und ihre Atmung maßen, aber die Kabel liefen in dieselbe Richtung, in der auch der Stift lag. Vorsichtig stand sie auf, geriet aber plötzlich ins Wanken und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Sie tat drei schwankende Schritte, streckte die Hand aus und griff sich den Bleistift.
    Dann ging sie zurück ins Bett. Sie war völlig erschöpft.
    Nach einer Weile gelang es ihr, die Decke wieder über sich zu ziehen. Sie hob den Bleistift hoch und tastete nach der Spitze. Es war ein ganz gewöhnlicher Bleistift aus Holz. Frisch gespitzt, die Mine wie eine Nadel. Die konnte man schon in ein Gesicht oder ein Auge stechen.
    Sie legte den Stift griffbereit neben ihre Hüfte und schlief ein.

6. Kapitel
    Montag, 11. April
    Am Montagmorgen stand Mikael Blomkvist um kurz nach neun auf und rief Malin Eriksson an, die gerade in die Millennium -Redaktion gekommen war.
    »Hallo, Chefredakteurin«, sagte er.
    »Ich bin total schockiert, dass Erika weg ist und ich jetzt ihre Stelle einnehmen soll.«
    »Ach ja?«
    »Ihr Schreibtisch sieht so leer aus.«
    »Dann wäre es wohl eine gute Idee, wenn du heute in ihr Zimmer umziehen würdest.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, ob ich dieser Aufgabe gewachsen sein werde.«
    »Nicht doch. Alle sind sich einig, dass du in dieser Situation die beste Wahl bist. Und du kannst jederzeit zu Christer oder zu mir kommen.«
    »Danke für euer Vertrauen.«
    »Ach, Quatsch«, sagte Mikael. »Arbeite einfach weiter wie immer. In der nächsten Zeit müssen wir die Probleme eben so nehmen, wie sie kommen.«
    »Okay. Warum rufst du an?«
    Er erklärte, dass er zu Hause bleiben und den ganzen Tag schreiben wollte. Malin wurde auf einmal klar, dass er jetzt ihr gegenüber Rechenschaft ablegte, so wie er früher - so nahm sie jedenfalls an - Erika Berger über seine Tätigkeiten informiert hatte. Von ihr wurde jetzt ein Kommentar erwartet. Oder?
    »Können wir irgendwas für dich tun?«
    »Nö. Im Gegenteil, wenn ich irgendwas für euch tun soll, musst du mich anrufen. Ich bin wieder an der Salander-Geschichte dran und bestimme, wie es damit weitergeht, aber in allen anderen Dingen, die die Zeitschrift betreffen, bist zu jetzt am Zug. Triff deine Entscheidungen. Ich werde hinter

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