Vergebung
Karl Axel Bodin konnte in einer Rehaklinik untertauchen. Agneta Sofia Salander verschwand mit unheilbaren Hirnschäden in der Langzeitpflege. Alle polizeilichen Ermittlungsberichte wurden bei der RPF/Sich gesammelt und über den stellvertretenden Amtschef an die Sektion weitergeleitet.
Peter Teleborian hatte vor Kurzem seinen Dienst als stellvertretender Chefarzt an der psychiatrischen Kinderklinik St. Stefan in Uppsala angetreten. Nun brauchte man nur noch ein rechtspsychiatrisches Gutachten, das Björck und Teleborian gemeinsam abfassten, sowie einen kurzen, nicht besonders kontrovers diskutierten Beschluss des Amtsgerichts. Es war alles nur eine Sache der Präsentation. Die Verfassung hatte damit überhaupt nichts zu tun. Immerhin ging es ja doch um die Sicherheit des Reiches.
Und dass Lisbeth Salander geisteskrank war, konnte nicht ernsthaft bezweifelt werden. Ein paar Jahre in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt würden ihr sicher guttun. Gullberg nickte also und gab grünes Licht für die Operation.
Alle Puzzleteile lagen schließich an ihrem richtigen Platz. Die Sowjetunion existierte nicht mehr, und Zalatschenkos Großmachtzeit gehörte definitiv der Vergangenheit an. Sein Mindesthaltbarkeitsdatum war schon ein wenig überschritten.
Die Zalatschenko-Gruppe hatte jedoch eine großzügige Entschädigung aus einem der Fonds der Sicherheitspolizei erwirkt. Man verschaffte ihm also die bestmögliche Rehabehandlung, fuhr Karl Axel Bodin ein halbes Jahr später zum Flughafen Arlanda und drückte ihm ein einfaches Ticket nach Spanien in die Hand. Sie machten ihm klar, dass er und die Sektion ab jetzt getrennte Wege gehen würden. Das war eine von Gullbergs letzten Amtshandlungen. Eine Woche später ging er aus Altersgründen in Pension und überließ seinen Platz seinem Nachfolger Fredrik Clinton. Gullberg wurde nur noch als Berater bei schwierigen Fragen hinzugezogen. Er blieb noch drei Jahre in Stockholm, in denen er fast täglich für die Sektion arbeitete, auch wenn die Anzahl der Aufträge allmählich abnahm. Er kehrte in seinen Heimatort Laholm zurück und erledigte einen Teil der Arbeiten von zu Hause aus. In den ersten Jahren reiste er noch regelmäßig nach Stockholm, aber auch diese Reisen wurden zum Schluss immer seltener.
An Zalatschenko hatte er irgendwann überhaupt nicht mehr gedacht. Bis zu jenem Morgen, an dem er Zalatschenkos Tochter auf jedem Schlagzeilenplakat sah, weil sie des dreifachen Mordes verdächtigt wurde.
Gullberg verfolgte die Berichterstattung mit einem Gefühl der Verwirrung. Ihm war nur zu klar, dass Bjurman nicht aus Zufall Salanders rechtlicher Betreuer geworden war, aber er konnte keine unmittelbare Gefahr erkennen, dass die alte Zalatschenko-Geschichte dadurch wieder an die Oberfläche kommen könnte. Salander war geisteskrank. Dass sie eine Mordorgie veranstaltet hatte, wunderte ihn nicht. Hingegen hatte er nicht ein einziges Mal daran gedacht, dass Zalatschenko selbst in dieses Spiel verwickelt sein könnte, bis er eines Morgens die Nachrichten sah und die Vorfälle von Gosseberga serviert bekam. Erst in diesem Moment begann er herumzutelefonieren und löste schließlich ein Zugticket nach Stockholm.
Die Sektion stand vor der schlimmsten Krise seit ihrer Gründung. Alles drohte zusammenzubrechen.
Zalatschenko schleppte sich auf die Toilette und urinierte. Seit ihm das Sahlgrenska-Krankenhaus Krücken zur Verfügung gestellt hatte, konnte er sich wieder bewegen. Er hatte den Sonntag mit kurzen Trainingseinheiten verbracht. Sein Kiefer schmerzte immer noch so bestialisch, dass er weiterhin nur Flüssignahrung zu sich nahm, doch nun konnte er immerhin aufstehen und kurze Strecken zurücklegen.
Nach fast fünfzehn Jahren mit einer Prothese war er an Krücken gewöhnt. Er übte sich in der Kunst, sich trotz Krücken lautlos fortzubewegen, und wanderte in seinem Zimmer auf und ab. Jedes Mal wenn sein rechter Fuß den Boden auch nur leicht berührte, schoss ihm ein stechender Schmerz durchs Bein.
Doch er biss die Zähne zusammen. Er dachte daran, dass Lisbeth Salander in seiner unmittelbaren Nähe lag. Er hatte den ganzen Tag gebraucht, um herauszufinden, dass sie rechts von ihm, im übernächsten Zimmer, untergebracht war.
Gegen zwei Uhr nachts, zehn Minuten nach dem letzten Besuch der Nachtschwester, war alles still. Zalatschenko stand mühsam auf und tastete nach seinen Krücken. Er ging zur Tür und horchte, konnte jedoch nichts hören. Er schob die Tür
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