Vergebung
verlagerte. Sie lag auf dem Rücken und trug eine Halskrause. Die sollte noch ein paar Tage dranbleiben, bis die Wunde am Kopf zu verheilen begann. Am Sonntag stieg ihr Fieber dann auf 38,7 Grad. Dr. Helena Endrin stellte fest, dass Lisbeth eine Infektion im Körper hatte.
Lisbeth bemerkte, dass sie abermals an ein staatliches Bett gefesselt war, auch wenn sie diesmal nicht mit Gurten festgeschnallt war. Wäre ja auch überflüssig gewesen. Sie konnte sich nicht einmal aufsetzen, geschweige denn irgendwelche Ausflüge unternehmen.
Am Montag um die Mittagszeit bekam sie Besuch von Dr. Jonasson. Er kam ihr irgendwie bekannt vor.
»Hallo. Können Sie sich noch an mich erinnern?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Sie waren ziemlich benommen, als ich Sie nach der Operation geweckt habe. Ich habe Sie selbst operiert. Jetzt wollte ich nur mal hören, wie es Ihnen geht und ob alles in Ordnung ist.«
Lisbeth Salander sah ihn mit großen Augen an. Dass hier nicht alles in Ordnung war, lag ja wohl auf der Hand.
»Ich habe gehört, Sie haben sich in der Nacht die Halskrause abgenommen.«
Sie nickte.
»Wir haben Ihnen die nicht zum Spaß angelegt, sondern damit Sie den Kopf still halten und der Heilungsprozess in Gang kommen kann.«
Er betrachtete das schweigsame Mädchen.
»Okay«, meinte er schließlich. »Ich wollte bloß mal bei Ihnen reinschauen.«
Als er schon an der Tür war, hörte er ihre Stimme. »Sie heißen doch Jonasson, oder?«
Er drehte sich um und lächelte sie verblüfft an.
»Richtig. Wenn Sie sich an meinen Namen erinnern können, waren Sie bei klarerem Bewusstsein, als ich dachte.«
»Und Sie haben mir die Kugel rausoperiert?«
»Genau.«
»Können Sie mir erklären, wie es mir geht? Ich bekomme hier einfach von keinem eine vernünftige Antwort.«
Er kam zurück an ihr Bett und sah ihr in die Augen.
»Sie haben Glück gehabt. Sie wurden in den Kopf geschossen, aber wie es aussieht, wurde dabei kein lebenswichtiger Bereich in Mitleidenschaft gezogen. Sie laufen im Moment noch Gefahr, eine Gehirnblutung zu erleiden. Deswegen wollen wir auch, dass Sie jetzt ganz still liegen. Sie haben eine Infektion im Körper. Der Bösewicht ist dabei wohl die Wunde an Ihrer Schulter. Vielleicht müssen wir Sie noch mal operieren, wenn wir die Infektion nicht mit Antibiotika in den Griff bekommen. Der Heilungsprozess wird noch mal eine schmerzhafte Zeit für Sie werden. Aber wie es aussieht, mache ich mir berechtigte Hoffnungen, dass Sie wieder ganz gesund werden.«
»Könnte ich Gehirnschäden zurückbehalten?«
Er zögerte, bevor er nickte.
»Ja, das Risiko besteht. Aber es deutet alles darauf hin, dass Sie Ihre Kopfverletzung gut überstehen werden. Dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit, dass sich Narben im Gehirn bilden, die später Probleme machen könnten, wie Epilepsie zum Beispiel. Aber das ist alles Spekulation, und im Moment sieht es gut aus. Der Heilungsprozess verläuft ohne Komplikationen. Und falls Probleme auftauchen, werden wir Sie behandeln. War Ihnen diese Auskunft deutlich genug?«
Sie nickte.
»Wie lange muss ich hier noch so liegen?«
»Im Krankenhaus, meinen Sie? Es wird auf jeden Fall ein paar Wochen dauern, bis wir Sie wieder entlassen können.«
»Nein, ich meine, wie lange dauert es noch, bis ich wieder aufstehen und rumlaufen kann?«
»Das weiß ich nicht. Das kommt auf die Fortschritte bei der Heilung an. Aber Sie müssen mit mindestens zwei Wochen rechnen, bevor wir mit irgendeiner Form von Physiotherapie beginnen können.«
Sie betrachtete ihn eine Weile ernst.
»Sie haben nicht zufällig eine Zigarette dabei?«, erkundigte sie sich.
Anders Jonasson brach in Gelächter aus und schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid. Hier ist Rauchverbot. Aber ich kann dafür sorgen, dass Sie ein Nikotinpflaster oder einen Nikotinkaugummi bekommen.«
Sie überlegte kurz, dann nickte sie.
»Wie steht es mit dem alten Scheißkerl?«
»Mit wem? Sie meinen …«
»Der, der gleichzeitig mit mir eingeliefert worden ist.«
»Scheint mir kein Freund von Ihnen zu sein. Tja, er wird überleben und ist sogar schon aufgestanden und mit Krücken rumgelaufen. Rein physisch war er schwerer verletzt als Sie, und er hat eine sehr schmerzhafte Verletzung im Gesicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie ihm mit der Axt ins Gesicht geschlagen.«
»Er hat versucht, mich umzubringen«, erwiderte Lisbeth leise.
»Hm. Es fällt mir schwer, mich dazu zu äußern. Außerdem muss ich jetzt
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