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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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einsilbig mit
»Okay« und »Ja« antwortete. Schließlich sagte er: »Natürlich, ich komme
sofort.« Er legte auf und sah sie ernst an.
    »Gibt es Probleme? Du siehst so besorgt aus?«, fragte sie.
    »Es geht um Amalie. Meine Eltern passen auf sie auf, weil Anette
heute Abend ausgehen wollte. Eigentlich hätte ich sie an diesem Wochenende,
aber ich muss arbeiten.« Er verstummte kurz bei der komplizierten Erklärung.
»Das war meine Mutter. Amalie hat Bauchschmerzen und Fieber bekommen, deshalb
muss ich sie holen. Sorry . Sie haben mehrmals
versucht, Anette zu erreichen, aber sie geht nicht ans Telefon.« Er schwieg und
sah sie entschuldigend an.
    »Natürlich musst du gehen.« Sie schenkte ihm ein aufmunterndes
Lächeln, das nicht von Herzen kam, und warf schnell einen Blick auf die vielen
Verhörprotokolle, die vor ihr lagen. »Ich bleibe noch und arbeite weiter, dann
reden wir morgen. Gute Besserung für sie.«
    Er nickte, stand auf und griff nach seiner Jacke, die er über den
Stuhl geworfen hatte, und ging zur Tür. Rebekka folgte der großen, muskulösen
Gestalt mit den Augen und fühlte die Einsamkeit plötzlich wie eine sich
anschleichende Schlange.
    »Was wolltest du mir eigentlich erzählen?«, fragte sie.
    Er drehte sich in der Tür um und sah sie mit seinen dunklen Augen
an.
    »Es geht um Jens Anker. Rate mal, wo er seine Ausbildung zum
Körpertherapeuten gemacht hat!«
    »Keine Ahnung. Aber wenn du das so sagst, würde ich auf …«
    »In Stockholm«, unterbrach er sie.
    » What a coincidence. « Rebekka spürte, wie
ihr Herz einen Sprung machte.
    »Das kannst du wohl sagen. Alle Spuren führen nach Stockholm«, sagte
er und ging.
    Rebekka stützte das Gesicht in die Hände, während Bilder von John
Mathiesen, Kristian Mathiesen und Jens Anker vor ihrem inneren Auge
vorbeiflimmerten. Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf, massierte sanft ihre
schmerzenden Schläfen und kam erst wieder zu sich, als sie einen kalten
Windstoß spürte. Das Fenster war aufgegangen. Sie stand langsam auf, ihr Körper
fühlte sich ausgelaugt und schwer an. Sie hakte das Fenster wieder zu und
lehnte die Stirn gegen die kühle Scheibe. Draußen zogen schwarze Wolken schnell
vor einem weißen Mond vorbei. Der Himmel war grau wie Koks und übersät mit
blassen Sternen.
    —
    Es war Mitternacht, als
Rebekka endlich in ihrem Hotelbett lag. Sie kam nicht zur Ruhe, sondern warf
sich unter der dicken Decke von einer Seite auf die andere. Die Gedanken jagten
sich und um die Rippen hatte sie ein beengtes Gefühl, als trüge sie einen zu
stramm sitzenden BH. Sie seufzte laut, presste die Augen fest zu und merkte,
wie sich schließlich der Schlaf einfand, während gleichzeitig die Dunkelheit in
ihr wuchs.
     
    »Mama, bitte.
Dürfen wir runter an den Strand gehen?«
    Rebekka sieht die Mutter
bittend an, die ihr ärgerlich den Rücken zukehrt. Es ist Sonntagnachmittag, und
es ist unerträglich heiß. Die Kinder stöhnen wegen der Hitze, obwohl sie
zwischen Kellerasseln und summenden Bienen im Schatten des Gartens sitzen. Sie
sehnen sich nach dem kühlen Wasser, doch Mutter und Vater sind damit
beschäftigt, alles zusammenzupacken und sauber zu machen. Die Ferien sind fast
vorbei. Sie waren im Ferienhaus der Tante in Søndervig und haben eine
wunderbare, sonnige und entspannte Woche gehabt.
    »Wir möchten so gerne an
den Strand, Mama.«
    Robin steht in der
Wohnzimmertür, bepackt mit Strandsachen, dem Eimer mit der Schaufel und der
Harke und einer Tüte für Steine und Muscheln.
    »Bitte, Mama.« Rebekka
lächelt, und die Mutter seufzt laut und dreht sich zu ihnen um. Sie streicht
sich eine feuchte Locke aus dem Gesicht, und der Schweiß läuft ihr die Stirn
hinunter. Sie hören den Rasenmäher draußen und drehen sich alle drei zum
Fenster um und sehen den mageren Oberkörper des Vaters. Er lächelt ihnen
zerstreut zu und verschwindet langsam aus ihrem Blickfeld.
    »Ja, okay.« Die Mutter
sieht aus, als hätte sie noch immer ihre Zweifel, und fügt hinzu: »Wenn ihr
versprecht, nicht ins Wasser zu gehen. Das ist zu gefährlich.« Sie sieht sie
streng an, und beide nicken.
    »Du bist für Robin
verantwortlich, Rebekka.«
    »Ja, ja«, sagt Rebekka und
läuft hinter Robin aus dem Zimmer. Sie holt ihre Strandsachen vom Hofplatz, und
zusammen gehen sie den staubigen Pfad zum Meer hinunter.

SONNTAG, 2. SEPTEMBER
    »Heute bekommen Sie einen
neuen Zimmernachbarn, Alex.«
    Er erwachte bei dem Laut ihrer
Stimme, genoss den sanften Klang und das

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