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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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beeindruckt um.
    »Das können Sie wohl laut sagen«, stimmte Rebekka zu und erinnerte
sich mit einem kleinen Anflug von Neid an ihr Jungmädchenzimmer, eng, dunkel
und schmal wie ein Schuhkarton, in dem sie Tag für Tag auf dem Bett gelegen und
sich weggeträumt hatte.
    Eine Stunde später waren sie die Wohnung gründlich durchgegangen.
Hatten jede Schublade geöffnet, Kleiderstapel, Papiere, Akten, Fotoalben und
Bücher durchwühlt.
    Etwas Wichtiges hatten sie nicht gefunden.
    »Eigentlich ist das merkwürdig«, überlegte Rebekka laut. »Ich meine,
man hat nicht den Eindruck, dass die Wohnung einer jungen,
zweiundzwanzigjährigen Frau gehört hat. Alles ist so unpersönlich. Keine Liebesbriefe,
keine Kondome und so …«
    Rebekka ging zu Annas Bett, über dem eine große gehäkelte Bettdecke
lag. Auf dem Nachttisch stand ein silberner Rahmen mit einem Farbfoto von Anna
und ihren Freundinnen Katja und Mia. Anna stand in der Mitte und schenkte dem
Fotografen ein blendend weißes Lächeln. Die beiden anderen Mädchen sahen
verlegener aus. Rebekka nahm das Bild, drehte es um und entdeckte, dass in der
Pappe eine Falte war. Vorsichtig schob sie den Finger dahinter und spürte etwas
Hartes. Dort steckte ein kleiner vergoldeter Schlüssel.
    »Sehen Sie mal.« Rebekka zeigte Michael den Schlüssel.
    »So einen hat meine Tochter Amalie auch«, sagte er eifrig. »Sie hat
zum Geburtstag ein Tagebuch bekommen. Was sie damit soll, weiß ich nicht. Sie
ist erst sechs und kann noch nicht mal schreiben.«
    »Wenn der Schlüssel zu einem Tagebuch gehört, wo ist dann das
Tagebuch?«, fragte Rebekka. Voller Zuversicht suchten sie weiter, fanden jedoch
nichts. Das Tagebuch, wenn es denn eines gab, war verschwunden.
    Außer dem Schlüssel beschlagnahmten sie einen Laptop, eine mit
geblümtem Stoff bespannte Schachtel mit persönlichen Briefen und einen
erotischen Roman, Fanny Hill , in dem auf der ersten
Seite Für MEINE Anna. Zur Inspiration. Kuss von P. stand.
    Weder Gert noch Sanna Gudbergsen hatten eine Vermutung, wer dieser
P. sein könnte, genauso wie sie nichts von dem Schlüssel und dem Tagebuch
wussten.
    »Wer zum Teufel kann P. sein?« Michael sah Rebekka, die gerade
anfuhr, fragend an.
    »Haben Sie Fanny Hill gelesen?«, fragte
sie.
    Michael lächelte.
    »Ja, vor vielen Jahren. Da geht es um nichts anderes als um Sex.«
    Sie nickte und drückte das Gaspedal durch. Michael schob die
Rückenlehne zurück und fuhr fort: »Mit P fangen viele Namen an: Poul, Per,
Peder …«
    »Oder Papa«, fügte Rebekka hinzu und beide schwiegen erschrocken.
    —
    Kurz darauf umrundeten sie
den Marktgrill, der vor dem Hotel Ringkøbing lag. Im Tageslicht sah die
Grillbar noch genauso aus wie immer, stellte Rebekka fest und konnte sich ein
Lächeln nicht verkneifen, als sie die alten, vergilbten Plakate an den Wänden
wiedererkannte, Ringkøbing Straßenfest 1990 . Als Kind hatte Rebekka zu den treuen Stammgästen
der Grillbar gehört. Hotdogs und Hacksteakburger hatten immer öfter das gewöhnliche
Abendessen der Familie Holm ersetzt. Sie hatte den größten Teil ihres Taschengeldes
in der Grillbar gelassen und sich in ihrer Pubertät mit Fast Food vollgestopft
und literweise Limo in sich hineingeschüttet. Sie wusste nicht, wie das Ganze
geendet hätte, hätte sie nicht eines Tages, mit knapp fünfzehn, plötzlich den
Entschluss gefasst, das Essen durch Laufen zu ersetzen. In wenigen Monaten
hatte sie zehn Kilo abgenommen und seitdem ihr Gewicht gehalten, obwohl sie in
Krisensituationen noch immer von einer heftigen Fresslust übermannt wurde.
    Sie bestellten beide die
»Spezialität des Hauses«, einen Burger mit gebratenem Schweinefleisch, und eine
Cola, und setzten sich draußen in der Sonne auf die Bank. Rebekka studierte die
verschiedenen Läden. Das moderne Café kannte sie noch nicht.
    Michael schaute in ihre Richtung.
    »Anna Gudbergsen hat zusammen mit Erik Mathiesen, ihrem Freund oder
was immer er war, in dem Café gearbeitet.«
    Rebekka folgte seinem Blick Richtung Café, wo ein junger Typ gerade
die Stühle von den Tischen hob.
    »Ist er das?«, fragte sie mit vollem Mund.
    »Nein, Erik Mathiesen ist dunkler und jünger. Ich kenne ihn,
eigentlich ein ziemlich netter Typ«, antwortete Michael. Sein Handy klingelte
laut. Er nahm das Gespräch entgegen – und riss die Augen auf.
    »Wir müssen zurück ins Präsidium. Sie haben den Verdächtigen
festgenommen, Alex Pedersen.«
    Rebekka warf den halb aufgegessenen Burger in den

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