Vergeltung
Tür.
»Ist es vorstellbar, dass Ihre Frau sich in ihrem Ferienhaus in
Søndervig aufhält? Erik Mathiesen hat auch von dem Ferienhaus gesprochen.«
»Was hat Erik mit dem Sommerhaus zu tun?«, fragte Gert Gudbergsen
verwundert und runzelte bekümmert die Stirn. »Ich glaube nicht, dass Sie sie
dort finden. Das ist zwar Sannas Haus, aber sie fährt nur selten dorthin.
Eigentlich wollten wir es verkaufen, doch Anna hat uns das ausgeredet.« Seine
Stimme brach, und als Rebekka das Krankenzimmer verließ, weinte er leise und
resigniert vor sich hin.
—
»Ach, du Scheiße, stinkt
das hier. Was haben Sie denn hier drinnen veranstaltet?«, fragte Michael und
hielt sich mit einer Hand die Nase zu, während er mit der anderen das Fenster
aufriss.
»Das ist das Eiersandwich, das so
riecht«, sagte Rebekka und grinste. Schnell brachte sie den Abfalleimer in die
kleine Küche und leerte den Inhalt in den großen Mülleimer.
Michael lachte noch immer, als sie kurz darauf zurückkam.
»Es stinkt noch immer, gehen wir in Ihr Büro«, schlug sie vor. Er
sprang von seinem Stuhl auf, während er sich demonstrativ die Nase zuhielt, und
lief in sein Büro. Dort blieb er einen Augenblick stehen und schnupperte, bevor
er sagte: »Ich weiß nicht, ob es hier besser ist, aber …«
»Setzen wir uns einfach«, meinte Rebekka und warf einen raschen
Blick auf das Bild von Amalie, das auf Michaels Schreibtisch stand. Das Mädchen
war hübsch, und Rebekka hatte plötzlich Lust, sie kennenzulernen.
»Hören Sie zu«, sagte Michael eifrig. »Wie bereits vermutet ist Anna
nach Stockholm gefahren. Sie hat vom 27. bis zum 29. Juli im Crystal Plaza
Hotel gewohnt.«
»Wie haben Sie das herausgefunden?« Rebekka schlug vor Überraschung
mit der Hand auf den Tisch.
»David, Susanne und ich haben uns eine Liste der Hotels in Stockholm
vorgenommen und sie abtelefoniert. Wir hatten Glück – vielmehr David hatte
Glück. Er hat die Hotels nämlich in der Reihenfolge angerufen, von der er
annahm, dass ein junges Mädchen sie auswählen würde, und das Crystal Plaza war
Nummer zwei auf seiner Hitliste.«
»Super. Haben Sie Gösta Svensson erreicht?«, fragte sie mit
angehaltenem Atem.
Michael schüttelte den Kopf.
»Leider nicht. Aber ich bin dran.«
»Verdammt. Ein Gespräch mit Gösta Svensson könnte den Fall
möglicherweise sofort aufklären.«
Michael nickte, und Rebekka rieb sich müde die Augen.
»Wir sollten checken, wie viel Schweden vor Kurzem in der Stadt
waren. Und statten Sie Mathias Holm Hansen einen Besuch ab, um Kristians Alibi
zu überprüfen. Ich bin um 17.00 Uhr mit Kenneth Mathiesen bei ihm zu Hause
verabredet, und bis dahin ist es nicht mehr lange hin«, sagte sie und warf
einen Blick auf die Uhr.
»Und später haben wir eine Verabredung«, erinnerte Michael sie.
»Genau«, antwortete sie und schloss die Tür hinter sich.
—
Sie klingelte Punkt fünf.
John Mathiesen öffnete ihr und führte sie in das Wohnzimmer mit der groß
geblümten Tapete, wo seine Frau bereits mit Kenneth wartete. Der Junge sah sie
erschrocken an, und seine Mutter nahm beschützend seine Hand. Rebekka hockte
sich vor ihn hin, legte die Hände auf seine Knie und sah ihn ernst an.
»Kenneth, du würdest mir eine
riesige Freude machen, wenn du mir dein Zimmer zeigen würdest.« Jane und John
Mathiesen schien der Gedanke zu beunruhigen, doch Kenneths Gesicht erstrahlte
in einem breiten Lächeln.
»Mein Zimmer sehen, Nik & Jay sehen und Autos und …«
»Genau. Ich möchte alles sehen«, sagte sie und griff vorsichtig nach
seiner Hand. Kenneth stand auf und ging vertrauensvoll mit ihr in die Diele.
Sie spürte die ängstlichen Blicke der Eltern, ignorierte sie jedoch und plauderte
stattdessen sanft und beruhigend mit dem Jungen, während sie nach oben gingen.
Das Zimmer war klein, aber gemütlich. Die schrägen Wände waren in
einem altmodischen klein karierten braunen Muster tapeziert. Das große Fenster
bot Aussicht auf den Garten und den dunkelgrünen Wald, der sich düster dahinter
erhob. Kenneth zeigte ihr eifrig ein paar Plakate mit seinen Idolen, und
Rebekka bewunderte sie lautstark.
»Kenneth.« Sie berührte vorsichtig seinen Arm, und er schwieg und
sah sie mit seinen schrägen Augen an. »Kenneth, ich weiß, dass du alle Fragen
über Anna sehr gut beantwortet hast. Bestimmt, weil du genauso ein Superheld
bist wie Spiderman, nicht wahr?« Kenneth strahlte erneut und nickte zustimmend.
»Ich brauche jetzt einen Superhelden, der mir
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