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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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sich übers Kinn. Das schabende Geräusch erinnerte mich an Sallys letzten Liebhaber, zumindest an das, was sie mir im Brustton der Entrüstung über seine Morgenlatte und sein stachliges Gesicht erzählt hatte. Krk dagegen zog den Rotz durch die Nasenhöhle. Vermutlich schnarchte er fürchterlich. Außerdem kratzte er sich hin und wieder irgendwo, brachte bei jeder Positionsänderung sein Gemächt wieder in Stellung und zog, als er aufstand, um zum Pinkeln zu gehen, die Jeans hoch. Es war unübersehbar, dass der Mann ein biologisches Gebilde war, das mehr als die Frau den tierischen Bedürfnissen nach Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Fortpflanzung und sich zu flöhen unterworfen war. Krk trug Jeans mit der Patina echten Alters, die an sämtlichen Ausbuchtungen blank und in den faltigen Vertiefungen grau waren, dazu ein grünbraunes Hemd und ein dunkelgraues Sakko.
    Während er auf dem Klo war, brachte Sally Maultaschen in der Brühe und den Salat. »Woher kennst du den denn?«
    »Beruflich«, beschwichtigte ich.
    Krk kam wieder. Sally kniff die Lippen zusammen und warf ihm einen Blick zu, der mir als Warnung dienen sollte.
    Krk grinste. »Und was haben Sie nachher noch vor?«
    »Bevor wir zum privaten Teil kommen: Was weiß die Polizei über Gabi?«
    »Vermutlich weniger als Sie?«
    »Ich kenne Gabi praktisch nicht«, sagte ich, »von einer kurzen, für sie enttäuschenden Begegnung im Sarah abgesehen.«
    »Ach so.« Krk schlürfte die Brühe. Es war der Moment, wo er sich für die ganze Geschichte zu interessieren begann. »Gabi«, sagte er, »ist zwanzig. Abitur, studiert Germanistik und Anglistik, nachdem sie eine Lehre als KfZ-Mechaniker abgebrochen hat.«
    »Mechanikerin!«
    Krks Augen blendeten auf. »Na, Bruder, unter uns Männern: Das mit dem weiblichen Genus ist doch reine Emanzenhysterie, ein Nebenschauplatz gelangweilter Hausfrauen, die lieber Hausmänner wären.«
    Ich gab meinem Bierglas einen Schubs. Es schäumte über den Holztisch auf ihn zu. Er glitt schnell vom Stuhl. Das Getränk tropfte eher kümmerlich über die Kante. Während die Nachbarn im Lokal mit verrenkten Hälsen lauschten, sagte er: »Bier, Wein, Wasser, das sind die typischen Waffen der Frau, der der Saft ausgeht. Heutzutage vergeht kaum noch eine Talkshow, ohne dass ein Mann mit triefendem Gesicht und nassen Hosen dasitzt.«
    Er weichte eine Serviette ein und tupfte das Bier von der Platte, ehe er sich wieder setzte. Wenigstens hatten seine Zigaretten etwas abgekriegt. Er knüllte die halb volle Schachtel in der Faust. Die Stängel knackten. Er schob sich ein Bonbon in den Mund, eines von diesen Vitamin-C-haltigen mit flüssigem Kern. Wir bezahlten dann getrennt, was Sally mit Befriedigung zur Kenntnis nahm. Krk ging grußlos, das Bonbon zerbeißend.
    Ich setzte mich zu Sally an die Theke und bestellte Kaffee. Sie servierte mir dazu die Sätze: »Was willst du mit dem? Der stinkt, wenn du mich fragst.«
    Sally konnte Männer im Allgemeinen nicht riechen.
    »Kennst du ihn näher?«, fragte ich.
    »Gott bewahre. Er kam erst zum Anzeiger , als ich schon fast weg war. Er ist eigentlich Fotograf, aber wir brauchten damals keinen Fotografen. Ich glaube, er kam über persönliche Beziehungen zum Chef rein. Ein Sozialfall. Er soll Lehrer gewesen sein.« Sie transportierte mit starken Armen ein Tab lett mit Bier in den Gastraum. »Da gab es irgendeine Geschichte«, fuhr Sally fort, als sie wieder am Zapfhahn stand. »Aber das musst du für dich behalten, ja? Es heißt, er soll was mit einer Schülerin gehabt haben. Es gab sogar einen Prozess, glaube ich. Danach musste er scheint’s den Schuldienst quittieren.«
    Ich blähte meine Lungen. »Wann war das?«
    Sally zuckte mit den hübschen runden Schultern. »Vor einigen Jahren. Übrigens nicht in Stuttgart. Er kommt, soviel ich weiß, aus Hamburg oder Hannover.«
    Na bitte!
     

5
     
    Zum Morgenkaffee die Schlagzeile: »Lesbe erschlägt jungen Mann«. Darunter: »Im Fall des Toten an der Johanneskirche (wir berichteten davon) hat die Polizei gestern eine junge Frau festgenommen. Die 20-jährige Gabi W. (Name von der Re daktion geändert) legte nach Angaben der Polizei ein Ges tändnis ab und bezichtigte sich selbst des Mordes. Als Motiv gab sie an, aus Männerhass gehandelt zu haben. Gabi kam am Abend der Tat aus dem nahe gelegenen Frauencafé Sarah . Sie wurde inzwischen in psychiatrische Behandlung überwiesen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat noch keine Anklage erhoben. Die Identität

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