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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ihn gestern angerufen. Recherche.«
    Marie missbilligte.
    »Wir kriegen ja die Pressemitteilungen der Polizei nicht«, verteidigte ich mich.
    Wieder mal vergeblich versuchte ich, meine Bürotür gegen den Teppich ins Schloss zu drücken. Ich knallte die Stiefel auf den Tisch. Der Aschenbecher sauste zu Boden und goss seinen Inhalt auf den grünen Teppich. Ich rief Krk an.
    »Ach so, ja«, hustete er. »Der Tote ist identifiziert. Eine Vermisstenanzeige aus Böblingen. Ein gewisser Uwe Häberle. Dreiundzwanzig Jahre. Hat hier in Stuttgart an der Hoppenlau-Schule eine Ausbildung zum Metzgermeister gemacht.«
    »Vorbestraft?«
    Ich hörte Krk lächeln. »Nein. Jedenfalls nicht einschlägig. Keine Sexualdelikte.«
    »Und andere?«
    »Überhaupt keine. Der Bub ist nicht aktenkundig, sagt die Polizei. Sonst hätte man ihn längst identifiziert.«
    »Und die Familie?«
    »Es lebt nur noch die Mutter. Sie ist Putzfrau im Breuningerland in Böblingen. Sie hat erst am Mittwoch gemerkt, dass ihr Sprössling nicht nach Hause gekommen ist. Donnerstag ist sie dann zur Polizei gegangen. Ob der Bub eine Freundin hat te, weiß sie nicht.«
    »Der hatte keine Freundin!«, keifte ich. »Der nicht. So was traut sich an keine Frau ehrlich ran. Ein pickliger Jüngling in Jeansmontur und Sohn einer lieblosen Mutter, das ist der geborene Vergewaltiger.«
    »Saudummes Geschwätz! Sie leiden wohl an feministischem Verfolgungswahn! Wir kennen Uwe nicht. Also bitte keine Vorverurteilungen!«
    »Ach was?«, schnappte ich. »Und das von Ihnen, nach Ihrem infamen Artikel über Gabi. Lesbe erschlägt jungen Mann. Und von wegen Name von der Redaktion geändert! Ist das das, was Sie keine Vorverurteilung nennen?«
    Krk grunzte. »Vermutlich hat doch dieser Uwe nur mal sein Wasser abschlagen müssen. Die überhitzte Phantasie einer vorbeieilenden Lesbe hat das als sexuelle Attacke ausgelegt. Ein tragisches Missverständnis.«
    »Wie gut«, sagte ich, »dass man Sie nicht auch noch die Kommentare schreiben lässt.«
    Krk pausierte. Das Großraumbürogeklapper übernahm die Regie. Ich hielt den Hörer mit Ekelfingern über den Papierkorb, denn Marie schob sich gerade eben schön und aufrecht zur Tür herein.
    »Hallo!«, quäkte der Hörer. »Sind Sie noch dran?«
    »Ja«, sagte ich, nachdem ich den Hörer zurückgeangelt hatte. »Spulen Sie das Band zurück und fangen Sie noch mal von vorn an. Aber schneiden Sie vorher was raus.«
    »Es hat doch keinen Sinn, unbequeme Wahrheiten zu leugnen, nur weil sie ideologisch nicht passen.«
    »Sie haben noch einen dritten und letzten Versuch.«
    »Hören Sie …!«
    Ich sah Marie in die blauen Augen und kurbelte an meiner Rhetorik. »Ich habe Ihnen schon viel zu lange zugehört.«
    »Wenn Sie beweisen wollen«, sagte Krk gehetzt, »dass der Junge nicht ganz koscher war, dann müssen Sie nach Böblingen. Die Leiche ist schon durch die Gerichtsmedizin durch und wird heute überführt. Morgen wird er beerdigt. Da kommen sicher allerlei Leute, die Ihnen was über den Knaben erzählen können.«
    Der Grund dieser Information war nicht, dass der Kerl heimlich auf meiner Seite war und im Stuttgarter Anzeiger den Undercoveragenten des Feminismus im Gewand des Machos spielte, sondern das Getriebe seines Autos. »Wir könnten zusammen fahren«, knurrte er. »Sie haben doch sicher eine lila Ente.«
    Ich legte auf.
    Marie betrachtete die Aschenkatastrophe auf meinem Teppich.
    »Kommt man eigentlich in die geschlossene Abteilung des Bürgerhospitals rein?«, fragte ich, um ihre Augen in höhere Regionen zu ziehen.
    Sie schaute mich an. Wo nahm sie nur diesen kühlen, abschätzigen Blick her, bei dem ich mich stets ungewaschen fühlte? »Gibt es etwas Neues?«
    Ich nahm ein Blatt Papier, ging zu Boden und versuchte, die Kippen und die Asche aufs Papier zu schippen und in den Papierkorb zu befördern. »Gabi«, sagte ich, »hat in der Glamour darüber nachgedacht, dass Frauen besser morden. Außerdem teilt sie die Wohnung mit einer Frau, einer von der ganz harten Sorte.«
    »Und hat dich das irgendwie weitergebracht?«
    Die Frage war unschuldig, aber ich war alarmiert bis in die Tiefen der Venus.
    »Marie, mein Engel«, sagte ich. »Wenn du sowieso schon alles weißt, dann kannst du die Story haben. Ich habe nicht das Geringste für Gabi übrig.«
    Wahrlich, dieser Bub in viel zu weiten Jeans war nicht halb so ausgegoren wie ich, und dennoch hatte Hede mich abgekanzelt wie ein Schulmädchen mit feuchten Träumen. Aber das

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