Vergeltung am Degerloch
niemand an einem wortgeschlechtlichen Pleonasmus wie »Männer sind die schlechteren Mörder«. Was mir Beweis genug war, dass die auf Männer zugeschnittene Sprache für weibliche Stimmigkeit nicht taugte und dass Frauen demzufolge nicht logisch, nicht richtig denken können.
Untertitel: »Gerichtsmediziner (!) sagen, perfekte Morde gelingen fast nur Frauen.« Text: »Perfekte Morde werden immer wieder verübt, und in fast jedem dieser niemals zu klärenden Fälle ist der Täter (!) eine Frau. Zu diesem in Fachkreisen nicht überraschenden Ergebnis kamen die Gerichtsmediziner aus sechzig Ländern auf einem Kongress der belgischen Universität Gent. Wissenschaftler halten es für erwiesen, dass fast jeder Mensch schon einmal mit dem Gedanken gespielt hat, jemanden umzubringen. Dass die Zahl der Morde dennoch verhältnismäßig gering ist, führen die Fachleute hauptsächlich auf eine schwer zu überwindende psychologische Barriere, weniger auf die Angst vor der Strafe zurück. Nach Ansicht der Kriminologen geht fast jeder Täter bei einem geplanten Mord davon aus, dass ihm der perfekte Mord gelingt und ihm hinterher nichts zu beweisen ist.«
Gabi führte weiter aus, dass Frauen bevorzugt zu Gift griffen, das oft nicht nachweisbar sei. Während der Täter bei direkter Gewalt Spuren am Opfer hinterlasse und bei einem Mord mit Pistole oder Messer immer eine Waffe übrig bleibe, die eine Beziehung zwischen Täter und Opfer herstelle, sei der Giftmord gewissermaßen spurlos und anonym. In fünfundneunzig Prozent aller aufgeklärten Giftmorde seien Frauen die Täterinnen. Das sei schon seit urdenklichen Zeiten so. Nicht zuletzt wegen der langen Tradition seien die einzig denkbaren perfekten Morde mit Gift möglich und würden von Frauen begangen.
»Da haben wir es wieder mal schriftlich und wissenschaftlich erwiesen«, fuhr Gabi fort. »Im sanftmütigen Weib lauert die Heimtücke. Frauen morden planmäßig und nie aus einem spontanen Gefühl heraus. Der Giftbecher dient der feigen Intrigantin als Waffe. Doch offenbart sich hier im Mäntelchen der Wissenschaft schiere Männerangst. Seit Jahrtausenden liefert der Mann sich der Frau aus, indem er ihr die Sorge für seine Ernährung und Gesundheit überlässt. Da ein Mann zu diesem Sklavinnendienst an der Frau niemals bereit wäre, malt er sich aus, auf welchem Wege wir uns dieses Frondienstes am besten entledigen könnten. Frauen morden besser? Eine reine Männerphantasie. Denn Männer morden öfter.«
Ich leistete Abbitte. Nach dem kommentierenden Schluss war klar, dass Gabi den Anfang ironisch aus der Männerpres se zitiert hatte, mit allen Konsequenzen, vor allem der männlichen Grammatik und der Ignoranz des Weiblichen, selbst da, wo es um Frauen ging. In der Glamour , einer Zeitschrift von Frauen nur für Frauen, war das Herrenzitat immer symptomatisch und entlarvte stets sich selbst. Die damals Sechzehnjährige hatte das hexische Gelächter entdeckt, die Weiberheiterkeit, das Lachen der Verweigerung des logischen Arguments beim Besenritt um den Blocksberg.
Zilla kam herein. Sie gab mir einen Zettel mit Hedes Adresse und beugte sich über Gabis Artikel.
»Oder«, sagte sie, »du fütterst deinen Mann mit Butter, Eiern, Knödeln und Steaks. Und abends Wein und Chips zum Fernsehen. Nach dreißig Jahren stirbt er dann am Herzinfarkt und du machst deine Weltreise.«
6
Traubenstraße. Eine nahezu geschlossene Zeile von Gründerzeithäusern. Satyrn mit Rauschebärten, Pferdeohren, Glubschaugen und schwellendem Bizeps hielten einen Balkon. Im Suttereng – wie man hier sagte – befand sich ein türkischer Gemüsehändler, dessen Auslagen sich gegen den Advent behaupteten. Orange war die dominierende Farbe unter dem Gelb des Stuttgarter Steins, aber es fröstelten auch blaue Trauben und Erdbeeren wie aus Plastik. Hedes Haus stand im berüchtigten Westen, wo Türken, Professoren, Studenten, Schriftsteller und alteingesessene Handwerker im ständigen Clinch mit schwäbischen Hauswirtinnen lagen. Schmale Straßen ohne einen einzigen freien Parkplatz, Boutiquen, Kleinbetriebe, fünfstöckige Wohnhäuser dicht an dicht. Dazwischen dämmerten hinter Einfahrtgittern die Hinterhöfe. Die meisten Türen mit den zehn Klingeln waren auch tagsüber abgeschlossen. Wer im fünften Stock wohnte, musste spätestens ab sechs Uhr abends hinunter, um die Haustür aufzuschließen und Gäste rein- oder rauszulassen.
Hedes Haustür hatte einen Summer, der mich in ein dunkles
Weitere Kostenlose Bücher