Vergeltung am Degerloch
Treppenhaus ließ. Die Stufen zur Belle Etage waren aus gepunktetem Stein. Danach ging es hölzern in den vierten Stock.
Die gute Zilla hatte mich gewarnt.
Hede war nicht groß, aber großartig. Kein Millimeter Fettgewebe beeinträchtigte das feine Spiel von Deltamuskel, Bizeps, Handwurzel-, Finger- und Zeigefingerstreckern, von Handwurzelbeuge – und langem Hohlhandmuskel, als sie mir die Hand hinstreckte.
Sie trug Langarmbody und Mini. Aus den Schlüsselbeinen wuchsen, begleitet von einem Bündel der Trapezmuskulatur, die Stränge der Kopfhicker um den Kehlkopf herum zu einem eleganten Kinn empor. Sie hatte volle rote Lippen, große braune Augen, langes dunkles Haar, aber kein Mädchengesicht, sondern ein in vierzig Jahren graviertes Kunstwerk aus Schläfen-, Jochbein- und Kaumuskeln.
»Guten Morgen.« Ihre Stimme war kräftig, aber schmeichelnd und jagte mir schon jetzt wollüstige Schauer über den Rücken. Nicht nur diese Stimme, überhaupt jeder Zentimeter an dieser Frau war ausgebildet und trainiert. Als sie einen Schritt zurücktrat, um mich in den Flur zu lassen, verguckte ich mich in den rasanten Schwung des Schneidermuskels, der von der Leiste unter dem Röckchen hervor über den Schenkel auf die Innenseite des Knies wechselte, in das Wurzelwerk von Kammmuskeln und Oberschenkelanzieher unterm Rocksaum, die gut ausgelegten Knie, und als sie sich umdrehte, um vor mir her durch den Flur zu gehen, bewunderte ich die knackigen Zwillingswadenmuskeln über der Achillessehne, das Scharnier der Kniekehlen, aus denen die zweiköpfigen Schenkel- und Halbschenkelmuskeln in die gut gerundeten Hinterbacken hinauffuhren.
Eigentlich hätte mich die Wohnung mehr irritieren müssen. Der Gang war schwarz lackiert und verspiegelt. Blaue und grüne Neonröhren waren wie ein Blitz durch den Tunnel gelegt. Die Türen waren schwarz. Die Küche leuchtete hellgrün. Auf der anderen Seite gab es eine rote Folterkammer.
Am Kopf des Ganges lag ein Zimmer, dessen Boden ganz mit blauem Gummi ausgelegt war. Am Fenster stand ein Gummibaum. Die Wände waren mit glänzendem weißem PVC beklebt. An der Wand stand eine blaue Lackkommode, über der neben einem Spiegel allerlei Masken, Lederteile, Rüstungen und Peitschen schimmerten.
»Das ist nicht mehr jugendfrei«, murmelte ich.
Hede lachte schnurrend. »Die Jugend hat längst aus den Sonntagsvideos gelernt, wie man Frauen die Brüste abschneidet und das Messer in die Scheide rammt. Leg doch ab.«
Es war ziemlich überheizt in der Wohnung. Hede zog leichthin meine Lederjacke wie einen Vorhang auseinander. Ich wich zurück und raffte meine Jacke zusammen. »Ich bin nicht zur Behandlung gekommen.«
Hede lächelte weise. »Gabi hat mir von dir erzählt. Sie hat sich ziemlich in dich vergafft. Aber du bist etwas scheu, nicht wahr? Gabi ist bei mir in die Schule gegangen. Du wärest durchaus auf deine Kosten gekommen.«
»Ich ziehe die Meisterin vor«, behauptete ich ruppig.
Hede machte einen feinen Ballettschritt durch den Raum und blieb im Kontrapost auf Spiel- und Standbein vor mir stehen.
»Gabi ist doch nur deshalb lesbisch«, sagte ich, »weil sie die Männer hasst.«
»Wo ist das Problem?«, sagte Hede. »Es gibt tausende Männer, die Frauen hassen. Und wen kümmert’s? Wer fragt danach, was im Kopf eines vierzehnjährigen Jungen geschieht, der Gewaltpornos schaut? Was denkt er von den Frauen, wenn er jedes Wochenende zusieht, wie sie gefesselt, geschlagen, zerschnitten und gefickt werden. Sind Frauen überhaupt Menschen?«
Ich knurrte unzufrieden. »Wir sind unter uns. Sparen wir uns die Versicherung unseres richtigen Bewusstseins.«
Hede lachte locker. »Von welchem Bewusstsein redest du? Deine Lederhose könnte besser sitzen. Die Lederjacke ist zu schwer. In deinen Haaren ist zu viel Gel. Bist du auf der Suche nach dem Märchenprinzen, oder bist du eine Hure? Oder ein kleines Mädchen, das glaubt, die Welt zu kennen? In deinem Kopf ist doch alles bloß Theorie.«
Sie kam heran, blieb in der ersten Position vor mir stehen und schob meine Jacke beiseite. Als sie gegen meine Bauchdecke stieß, krisselte Gänsehaut bis unter meine Haarwurzeln. Sie fasste mich am Hosenbund.
»Als ich Kind war«, schnurrte sie, »spielte ich am liebsten Seeräuber. Ich zog mir eine Seeräuberhose an, die ich mir so hoch zog, wie es ging, und dann mit einem Gürtel festschnür te. Das gab immer so ein angenehmes Gefühl zwischen den Beinen.«
Ich war dortselbst bereits klitschnass.
»Und
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