Vergeltung am Degerloch
was für Spiele hast du gespielt? Ich sehe schon, du durftest nie mit den Händen unter der Bettdecke einschlafen.«
Es war ihre Stimme, die mich lähmte, diese Verheißung. Ich gierte danach, dass sie mir an den Arsch fasste. Aber sie ließ los. Ich sackte rückwärts in ein Loch bebender Enttäuschung.
Sie lachte. »Die Männer machen es dir nicht gut genug. Ist das ein Grund, sich Frauen zuzuwenden? Erotik ist eine Kunst, kein Gerangel um Selbstbefriedigung.«
Ich fragte mich, warum um Himmels willen sich Gabi an mich herangemacht hatte, wenn sie daheim eine Meisterin hatte. Stellung 69, gegenseitiges Klitorislecken, was für eine Grobheit angesichts von Hedes Versprechen. Ich musste dringend pinkeln.
»Ist Gabi deine Freundin?«, fragte ich.
»Was ist eine Freundin? Kannst du dir darunter etwas vorstellen? Schulfreundinnen kennen wir. Aber können Frauen Freunde sein? Freundinnen sind etwas völlig anderes als Freunde. Freundinnen kichern und stechen einander aus. Freunde retten einander das Leben und machen einen Dreier.«
»Seit wann wohnt Gabi hier?«, versuchte ich es erneut.
»Seit sie volljährig ist.«
»Warum ist sie von zu Hause ausgezogen?«
»Weil es Krach gab, egal ob sie einen Typ oder eine Frau anschleppte, vor allem, als es nur noch Mädchen waren. Oder kennst du einen anderen Grund, von zu Hause auszuziehen?«
Ich hatte mit achtzehn weder Jungs noch Mädels angeschleppt. Um sich zu treffen, gab es das Gemeindezentrum und das Jugendcafé. Freundinnen gab es keine. Die Idee, mit anderen Herzflattern und Samenerguss zu besprechen, war mir fremd. Nur Sally, aber schon nicht mehr Zilla wusste, dass ich bereits eine Ehe hinter mir hatte.
»Wie finanziert Gabi denn ihr Studium?«, erkundigte ich mich.
»Sie kriegt BaföG. Und sie schreibt ab und zu einen Artikel für irgendwelche Zeitungen.«
»Warum hat sie den Jungen erschlagen?«
Hede lächelte feinnervig. »Hat sie das denn?«
»Wer denn sonst?«
»Vielleicht die besorgte Mama. Mütter morden für ihre Kinder. Die Löwin, du verstehst.«
»Was hast du für eine Mutter?«, sagte ich. »Meine hätte eher mich ermordet. Sie geht so gern auf Beerdigungen. Der feierlichste Moment in ihrem Leben war, als sie meinen Vater begrub.«
»Aha«, sagte Hede. »Du glaubst, dass deine Mutter deinen Vater auf dem Gewissen hat. Das sind gleich zwei unerledigte Probleme, ein Mutterproblem und ein Vaterproblem. Darum.«
»Was, darum?« Ich schnappte sie kurzerhand an der Kragennaht des Bodys. Hedes Körper spannte sich. In der Naht rissen knacksend kleine Fäden. Aber ich hätte mich schneller entschließen, hätte sie heranziehen und küssen müssen, oder etwas dieser Art. Ihre Antwort auf meine zu zögerliche Anfrage war ein spitzer Fingerknöchelschlag in meine Magengrube.
»Ich hatte zum Beispiel eine Mutter«, sagte Hede streng, »die mir beigebracht hat, wie man sich in bestimmten Situationen verteidigt. Der Wille zur Selbstbehauptung ist entscheidend.«
»Aber …«
»Und du, mein liebes Kind, entscheide dich. Und wenn du dich entschieden hast, ob du ein Kerl bist oder ein Mädel, dann kannst du wiederkommen. Dann zeige ich dir, was du wissen willst.«
Ich drehte mich um und stakste mit ausgekühltem Höschen durch den schwarzen Gang zur Tür. In den Spiegeln sah ich ein madengrünes Gesicht. Auf der glatten Holztreppe schossen mir die Stiefel unterm Arsch weg. Ich polterte ins Geländer gekrampft einige Stufen abwärts. Nimm dich zusammen!
Zu Fuß ging ich quer durch die Stadt. Bevor ich Louise unter die Augen trat, musste ich meine Gefühle ordnen. Aber ein Unglück bleibt manchmal doch allein. Als ich Martha sah, die mit der Kanne Kaffee mütterlich aufgelöst die Runde machte, erkannte ich gleich: Louise war nicht gekommen. Die Lage hatte sich entspannt. Aus Maries Zimmer kam Lachen.
»Ein Anruf für Sie«, sagte Martha. »Ein Mann!«
Für Marthas Männerscheu – sie war seit über zwanzig Jahren verheiratet – waren wir nicht verantwortlich. Wir fürchteten uns prinzipiell nicht vor Männern. Aber Martha schien die Redaktion der Amazone für ein Rückzugsgebiet aus der Männerwelt zu halten. Seit ihr Mann Frührentner war und auf der Wohnzimmercouch kränkelte, beeilte Martha sich nicht mehr, nach Dienstschluss um fünf heimzugehen. Arbeit bedeutete für sie Urlaub.
»Wer?«, fragte ich.
»Ein gewisser Karl Kraus. Zettel liegt auf Ihrem Tisch.«
»Was hast du denn mit dem zu tun?« Marie stand in der Türfüllung.
»Ich habe
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