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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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sich jetzt in einer dicht gepunkteten Diagonale über den Himmel ziehen.
    Im Prinzip ist er jetzt so was wie ein ultraleichtes Fluggerät, ein Paraglider, der seinen Schirm an eine bestimmte Stelle dreißig Kilometer weiter manövrieren muss.
    Dave checkt das GPS an seinem Schultergurt und korrigiert mit der rechten Steuerleine um sich stärker südwestlich zur LZ hin auszurichten. Indem er sich am MILSPEC-Leuchten unter sich und dem GPS-Signal orientiert, gelingt es ihm, das Gleichgewicht zu halten und seinen Kurs zu finden.
    Der Plan sieht vor, die LZ lange vor Anbruch der Morgendämmerung zu erreichen, der Sprung wurde so getimt, dass die Männer bei ihrer Landung nicht ohne weiteres zu entdecken sind, sie in Ruhe ihre Ausrüstung und ihre Waffen zusammensetzen und beim ersten Licht zum Angriff übergehen können.
    Sie liegen gut in der Zeit.
    Cody hat in seinem jungen Leben schon so manche hohe Welle geritten.
    Darunter auch ein paar Monster, ein paar bomboras , echte Killer.
    Aber dieser Scheiß hier stellt alles in den Schatten.
    Was den Adrenalinausstoß, das Rauschen des Bluts, das Pochen seines Herzens und den absolut bewusstseinserweiternden fucking freaking thrill angeht, dann ist das hier …
    Der Ritt seines Lebens.
    Niemand kann ihn hören, nicht mal er selbst, aber er muss es rausschreien.
    COWABUNGA !
    Das musste gesagt werden.
    Jetzt kann Dave die Berge unter sich erkennen.
    Das Barisangebirge wird von einem Teppich aus hohen Kiefern überzogen, unterbrochen nur von vereinzelten, abgeholzten Stellen. Kleine Dörfer aus strohgedeckten Hütten schmiegen sich an winzige Lichtungen unter messerscharf zulaufenden Bergkämmen, und Dave sieht das rote Glühen der Feuerstellen am frühen Morgen.
    Während er über einen felsigen Gipfel gleitet, stellt er sich vor, was passieren würde, würden sie von Aziz’ Leuten entdeckt. Sie wären völlig machtlos, könnten nur versuchen, möglichst bis zur Landung zu überleben und am Boden angekommen einen neuen Plan entwerfen.
    Einen Plan, das weiß er, der im Prinzip darin bestehen müsste, eine Verteidigungslinie zu improvisieren und diese so lange wie möglich zu halten – was nicht lange wäre. Aziz würde seine beträchtliche Feuerkraft auf sie konzentrieren, und auch die Zeit würde für ihn arbeiten.
    Verdammt, denkt Dave, er würde nicht mal kämpfen müssen – er müsste uns nur den Weg abschneiden und verhungern lassen.
    Diesmal kommen keine Hubschrauber und holen uns aus der Scheiße raus.
    Wir bleiben drin sitzen und verrecken.
    Ach, verdammt, denkt er.
    Wir werden unentdeckt eindringen, die Mission durchführen und wieder verschwinden. Genau so wird es laufen.
    Ulrich ist kurz davor, mit einem Pfund des gefährlichsten Sprengstoffs der Welt in einer Metalldose um den Bauch geschnallt auf dem Boden aufzuschlagen. Für so was gibt es alle möglichen Begriffe, denkt er, als der Höhenmesser nur noch zweistellige Werte anzeigt.
    »Meteorit« wäre einer.
    »Asteroid« ein anderer.
    Oder auch »Rakete«.
    Nein – genauer noch – »Kamikaze«, denn immerhin macht er das hier freiwillig. Woraufhin ihm der Begriff »Selbstmordattentäter« einfällt, den er aber sofort wieder als unpassend und pessimistisch verwirft.
    Entweder das C8 ist so stabil, wie seine Fürsprecher behaupten …
    Oder es gibt einen großen Knall, und ich muss die Landezone nicht mehr markieren.
    Dave sieht das Achteck aus grünen Leuchtsignalen.
    Ulrich ist zuerst gelandet und hat die LZ markiert.
    Jetzt muss Dave sie nur noch treffen.
    Die Bäume sind Feinde.
    »Das Goldilocks-Prinzip« – steigt man zu früh ab, bleibt man in den Bäumen hängen. Zögert man zu lange, bleibt man auch in den Bäumen hängen. Man muss den Zeitpunkt genau abpassen.
    In den Bäumen hängen zu bleiben wäre schlecht. Dabei brichst du dir ein Bein, der Einsatz wäre für dich vorbei, und du wärst eine Last für dein Team. Selbst wenn du’s unverletzt überstehst, dauert es viel zu lange, bis du dich freigekämpft und abgeseilt hast. Manche dieser Bäume sind über zwanzig Meter hoch, und vielleicht kommst du gar nicht mehr runter. Das alles kostet Zeit, die du nicht hast. Außerdem wäre es ganz schön bescheuert, aus 9000 Metern abzuspringen und dann bei einem Sturz vom Baum aus 20 Metern Höhe draufzugehen.
    Also vorbei an den Bäumen, du Blödmann, sagt er sich.
    Mach deinen Job.
    Die Baumwipfel befinden sich direkt unter seinen Füßen, als er den Blick senkt und die anderen orangefarbenen

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