Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sich opfern, um andere zu retten.
Er schwingt das Gewehr herum und mäht eine AbordnungMudschahedin nieder, die von links auf ihn zukommen. Kugeln schlagen um ihn herum in die Erde ein. Eine trifft seine Weste, eine andere trifft ihn ins Bein. Der Schmerz ist qualvoll und schön zugleich.
Sicher war es das, was Allah meinte.
Man soll nicht aus Hass, sondern aus Liebe sterben.
Du warst immer schon mit dem Tod verlobt, sagt sich Amir. Du hast gewusst, dass der Tag der Hochzeit kommen wird.
Amir kniet sich hinter das Gewehr.
Er schwenkt den Lauf nach rechts, feuert, dann nach links und sagt: » Assalamu alaikum wa rahmatu Allah. «
Mögen der Frieden und die Gnade Allahs mit dir sein.
Auf seinem Weg durch den Dschungel hört Dave Amirs Schüsse.
Sie werden spärlicher.
Und versiegen.
Stille.
Frieden.
Dann setzt Regen ein.
✦
Sechzehn Kilometer weit tragen die erschöpften Männer ihre gefallenen Kameraden.
Sechzehn Kilometer durch den peitschenden, strömenden Monsun – tapfere Männer, selbst verwundet, tragen sie die Freunde, die sie nicht zurücklassen wollen.
Sie wissen, dass deren Gewicht sie langsamer macht.
Wissen, dass die Feinde sie einholen.
Wissen, dass sie es vielleicht nicht mehr schaffen werden.
Und tun es trotzdem.
Keine Wissenschaft kann das erklären. Keine Biochemie, keine Evolutionsanalyse, keine neue Hirnforschung.
Einzig und allein Menschlichkeit.
Erbitterte Loyalität.
Außergewöhnlicher Mut.
Eine größere Liebe gibt es nicht.
Ulrich weiß, dass seine Kameraden kommen.
Er kann sie jetzt über Funk hören, sie fordern ihn an.
Seine Verfolger sind ihm so nah, dass er nicht zu antworten wagt. Aber er hört, welche Stimmen fehlen – die von Alesandro, Cody und Amir.
Dann hört er Donovan sagen: »Charlie, wenn du da bist, mach dich bereit.«
Ulrich macht sich bereit.
Bis zum Treffpunkt werden sie von Kugeln gejagt.
Während sie sich mit pochenden Armen und brennenden Beinen durch den peitschenden Regen schleppen, hören sie ihre Verfolger immer näher kommen. Dann setzt das Feuer ein – vereinzelte Schüsse zwischen den Bäumen hindurch, dann Granaten.
Nur dank Amirs Opfer sind sie überhaupt so weit gekommen, das weiß Dave. Ohne ihn wären sie längst überholt und überwältigt worden. Aber jetzt sieht er eine Lichtung – die alte Piste – und die C-130.
Heffernan sitzt auf der Laderampe und raucht.
Vielleicht ist es schon zu spät, denkt Dave. Die Verfolger sind zu nah, als dass sie noch an Bord steigen und starten könnten.
Über Funk warnt Donovan den Piloten: »Kommen unter Beschuss.«
Dave sieht, wie Hefferman nickt, aufsteht und sich hinter die M134-Minigun setzt. Dann hört er ihn sagen: »Geht lieber in Deckung, Jungs.«
Dave und Willem setzen Cody ab und werfen sich neben ihn auf den Boden, während sechstausend 7.62mm-Patronen über ihre Köpfe hinweg in die Bäume fliegen.
Die Mudschahedin, die den Ansturm überleben, weichen zurück.
Jetzt macht ihnen der Schlamm zu schaffen
Eine leere C-130 wiegt knapp 35 Tonnen. Mit Ladung und Waffen bringt es diese Maschine hier auf über 40. 40 Tonnen Fahrwerk tief im Schlamm auf einer kurzen Startbahn, die sich rasant in einen Sumpf verwandelt, hoch oben in den Bergen.
»Nicht gerade ideal«, lautet Heffernans Einschätzung.
Eine Lockheed C-130 muss auf einer durchschnittlichen Startbahn 80 Knoten machen, um abheben zu können. Selbst wenn es Heffernan gelingt, die Hercules trotz Schlamm in Bewegung zu setzen, wird er sie in diesem Riesensumpf niemals auf die nötige Geschwindigkeit jagen können. Und selbst wenn er das Tempo erreicht, kann die Maschine immer noch von der Bahn rutschen.
»Wobei sie dann keine 130 mehr wäre«, sagt Heffernan, »sondern ein Museum.«
Eher ein Mausoleum, denkt Dave. Die Mudschahedin müssen nichts weiter tun, als warten, bis uns die Munition ausgeht, dann können sie uns ganz bequem abservieren. Er blickt auf Alessandros und Codys Leichen, die in Plastik gehüllt vor ihm liegen. Er sitzt nicht zum ersten Mal mit toten Freunden hinten in einer 130 oder einem Helikopter. Aber er hofft, zum letzten Mal.
Wir sind nicht so weit gekommen, denkt er, um sie jetzt nicht nach Hause zu bringen.
»Wir müssen auf JATO umstellen«, sagt Heffernan.
Jet Assisted Take-off .
Die Lockheed C-130 ist mit Kanistern voller Raketentreibstoff ausgestattet, die direkt unter den Tragflächen am Rumpf angebracht sind. Durch diese bekommt sie zusätzlichen Antrieb, um auf einer kurzen
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