Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Startbahn abheben zu können, besonders unter Beschuss.
»Wir sind nämlich dreifach gearscht«, sagt Heffernan.
Kurze Piste, feindliches Feuer und große Höhe.
Von Nässe und Schlamm ganz zu schweigen.
Und den Kugeln, die jetzt von den Außenwänden des Flugzeugs abprallen.
»Was ist der Nachteil?«, fragt Donovan.
»Die Maschine könnte explodieren«, sagt Heffernan beiläufig, »wie eine römische Kerze. Aber hier sitzenbleiben und warten, bis der Regen aufhört und die Startbahn trocknet, ist wohl keine praktikable Alternative.«
»Also JATO«, sagt Donovan.
Die Turbinentriebwerke lassen das Innere des Flugzeugs beben.
Dave schnallt sich an.
Die Triebwerke pochen. Die ganze Maschine zittert.
Dave glaubt, sie ächzen zu hören, während sie verzweifelt versucht, sich aus dem Klammergriff des Schlamms zu befreien.
Dann kommt sie langsam in Bewegung.
Sie fährt schneller und nimmt Tempo auf.
Das Heck schlittert seitwärts.
Wenn wir von der Piste rutschen, sind wir tot, denkt Dave.
Wenn wir nicht abheben, auch.
Heffernan sieht, dass er 60 Knoten macht.
Das reicht nicht.
Außerdem braucht er 400 Meter Startbahn, und vor ihm liegen nur 300.
Er aktiviert JATO.
Dave spürt das Flugzeug schlingern und dann ansteigen.
Der Boden lässt los, und die Maschine ist in der Luft.
»Haarscharf«, sagt Donovan.
»Wie mein alter Fluglehrer immer gesagt hat«, erwidert Heffernan. »›Würde das Minimum nicht reichen, wäre es nicht das Minimum‹.«
Ulrich sieht das Flugzeug kommen.
Sehr gut, denkt er. Jetzt muss ich nur lange genug überleben, bis sie mich hochziehen. Auf einem Berg, auf einer Lichtung – als perfekte Zielscheibe.
Zum Glück hat er für diesen Fall vorgesorgt.
Auf seinem langen Rückzug hat er an verschiedenen Stellen C 4-Sprengladungen versteckt, die jetzt einen explosiven Ring um den Gipfel herum bilden.
Er zündet die letzte und stößt auf die Lichtung vor.
Donovan entdeckt ihn vom Cockpit aus.
Ulrich läuft aus dem Schutz der Bäume auf die Lichtung.
»Sichtkontakt«, sagt er über Funk. »Lass den Skyhook runter.«
Michel startet die Vorbereitungen, der Bauch der Maschine öffnet sich, und die Schnur wird hinabgelassen. Die Lockheed befindet sich auf gefährlich geringer Flughöhe, nur neunzig Meter und noch dazu im Anflug auf einen Berg.
Dann explodiert ein Feuerring auf dem Gipfel, ein Sprengsatz nach dem nächsten geht hoch, während Ulrich auf die Lichtung rennt, den vorbereiteten »Fallstrick« auslegt und an seiner Hüfthalterung befestigt. Er hat nur diese eine Chance, mitgenommen zu werden. Er packt den Haken und lässt ihn einschnappen.
Zwei Mudschahedin kommen aus dem Dschungel gerannt, feuern im Laufschritt auf Ulrich.
Der Strick reißt ihnen die Beine weg, als sich das Seil anspannt und Ulrich neunzig Meter in die Luft gehoben wird.
Er blickt nach unten und winkt.
»Bis später!«, schreit er.
Die Winde zieht ihn ins Flugzeug, und der Bauch schließt sich.
»Hast du den ganzen Berg hochgejagt?!«, fragt Willem.
Ulrich zuckt mit den Schultern. »Wie gesagt – nur wenige Probleme lassen sich nicht mit dem gekonnten Einsatz von Sprengstoff lösen.«
Er setzt sich und schnallt sich an.
Sie haben es geschafft.
Es ist vorbei.
Vor ihnen nur noch ein kurzer Flug über den Ozean, sie werden in Satun landen und getrennte Wege gehen.
Aber es gibt kein Schulterklopfen, keine Glückwünsche. Zwei ihrer Freunde liegen tot neben ihnen, ein anderer im Indischen Ozean, einen weiteren haben sie auf der Insel gelassen.
Die Männer sind erschöpft. Und verwundet – Dave versorgt die tiefe Schnittwunde an seinem Bein. Michel zieht sich Granatsplitter aus der Schulter. Willem entfernt Steinbröckchen und Schmutz, die sich ihm in die Haut gebohrt haben.
Lev verbindet seinen vermutlich verstauchten Fußknöchel und denkt an Amir.
Den ars .
Ich hab mich geirrt, denkt Lev.
Vielleicht irre ich mich auch in anderen Dingen.
Darüber werde ich nachdenken müssen.
Amir, Cody, Alessandro, Rolf.
Und Simon.
Dave überschlägt den Preis der Vergeltung.
Fünf unserer Leute.
War es das wert?, fragt er sich.
Um der Vergeltung wegen? Nein. Aber um Aziz und sein Netzwerk zu zerstören?
Ja.
Ja.
Ich glaube zwar nicht an Gott, aber ich habe dem Satan in die Augen gesehen – und wenn ihr weitere Jakes und Dianasund den Tod tausender Unschuldiger verhindern wollt, dann müsst ihr den Teufel dort töten, wo er wohnt.
In der Hölle.
Ich kann leben mit dem, was ich getan
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