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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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die Expressspur. Dann sagt er: »Wissen Sie, was in den vergangenen drei Jahren die bei Angehörigen des Militärs häufigste Todesursache war?«
    Dave antwortet nicht.
    »Selbstmord«, sagt Mullen. »Nicht der Feind, nicht Unfälle – wir selbst sind es. Deshalb frage ich Sie, Major Collins, wollen Sie zu denen gehören, die aufgeben oder …«
    Oder, denkt Dave, hab ich ein Pferd in diesem Rennen?


    Er schmeißt alle Flaschen weg – die vollen und die leeren – und macht sich an die Arbeit.
    Tut das Einzige, was er für Jake und Diana noch tun kann.
    Die Wahrheit herausfinden.
    Er geht an den Computer, lädt eine Karte der Umgebung runter, holt ein paar Buntstifte aus Jakes Zimmer, markiert die Stellen, an denen Mullen und Grafton die Rakete gesehen haben wollen, und verbindet sie mit den Koordinaten des Flugzeugs zum Zeitpunkt der Explosion.
    Plausibel, denkt er.
    Ein Schütze auf einem Boot in Jamaica Bay hätte das Flugzeug in dieser Höhe mit einer Ein-Mann-Boden-Luft-Rakete durchaus treffen können.
    Gerne stellt er sich das nicht vor, aber möglich ist es.
    Ein Schütze auf einem Boot richtet das Zielfernrohr des Raketenwerfers auf das Flugzeug direkt über sich. Er verfolgt es, während es nach Westen eindreht und sich wieder gerade ausrichtet, dann aktiviert er ein wärmesuchendes Infrarot-Lenksystem.
    Der Gefechtskopf ist mit panzerbrechenden Wolfram-Projektilen bestückt, und ein Laser-Annäherungszünder lässt ihn circa sechs Meter vor der Wärmequelle – einer 7,5 mal 13 Meter großen Fläche am Boden des Flugzeugrumpfs, dem Zentraltank – detonieren.
    Sechs Meter unterhalb des Flugzeugs erkennen die Sensoren die Wärmequelle und aktivieren den Annäherungszünder im Gefechtskopf.
    Eine Sekunde später explodiert das Geschoss.
    Die Wolframkugeln durchdringen die Außenhaut desTanks. Die Dämpfe explodieren und reißen ein riesiges Loch in den Boden.
    Das Flugzeug wird in der Luft auseinandergerissen.
    Dave will es nicht glauben.
    Die Augenzeugenberichte sind stringent, aber bekanntermaßen sind Augenzeugen unzuverlässig – ihre Beobachtungen sind nicht immer genau, ihre Erinnerung häufig fehlerhaft und die Phantasie gibt ihnen Dinge ein, die in Wirklichkeit nicht da waren.
    Das Video ist überzeugender, aber auch nicht beweiskräftig, weil es den Moment des Einschlags nicht zeigt. Und was die Geschichte mit dem Leuchtsignal angeht, so kann McEneany gelogen haben.
    Flemings Fotos vom Zentraltank sind der eigentliche Beweis, denn allem Anschein nach wurde Beweismaterial manipuliert.
    Wird hier absichtlich etwas vertuscht?, fragt sich Dave.
    Um diesen Gedanken überhaupt denken zu können, muss ich mir bewusst machen, dass mich alle, denen ich in meinem bisherigen Leben vertraut habe, belogen haben.
    Meine Regierung.
    Meine Kollegen.
    Meine Freunde.


    Dave sitzt bei Phil Abrams zu Hause in Greenwich im Sessel.
    Die Glock im Schoß.
    In der Wohnung herrscht die für einen geschiedenen Mann mittleren Alters charakteristische sterile Atmosphäre. Ein Flachbildfernseher, eine Getränkebar, ein Sofa.
    Scheinwerferlicht strahlt durch das Fenster, dann, ein paar Minuten später, kratzt ein Schlüssel im Schloss, die Tür geht auf, und Phil kommt rein. Er ist groß und hager, trägt sein rotes Haar unvorteilhaft über die Stirnglatze gekämmt – Diana hatte vergeblich versucht, es ihm auszureden. Sein unbedeckter Kopf ist feucht vom Schnee.
    Er sieht erst Dave, dann die Pistole und erstarrt.
    Ein Blick in Phils Augen, und Dave weiß, dass es stimmt.
    »Du warst mein Freund«, sagt Dave. »Du hast Weihnachten mit uns gefeiert. Du hast mit meinem Jungen Football im Garten gespielt, meine Frau hat dir nach deiner Scheidung die Hand gehalten, und du lügst mich an über die Umstände ihres Todes?«
    Der ganze Zirkus im Hangar, denkt Dave, nur um mich in die Irre zu führen. Und die »unbefristete Freistellung« – damit ich mich ausruhe, erhole, trauere? Sie wollten mich aus dem Weg haben, um die Ermittlungsergebnisse zu fälschen.
    Phil wirkt ängstlich. Er sieht sich im Raum um.
    »Ich hab die Alarmanlage ausgeschaltet«, sagt Dave. »Gleich nachdem ich reingekommen bin.«
    »Na ja, Mensch, fühl dich ganz wie zu Hause, Dave«, sagt Phil. Er wirft wieder einen Blick auf die Pistole in Daves Schoß. »Schon ein bisschen paranoid, oder?«
    »Du hast eine .38er in deinem Schulterholster«, erwidert Dave. »Nimm sie raus und leg sie auf den Tisch.«
    »Klar.« Phil zieht die Pistole langsam aus dem

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