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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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unverständliches Zeug brabbeln. Glaub bloß nicht, dass das nicht möglich ist.«
    Dave sagt nichts.
    »Halt den Mund«, sagt Phil. »Trauer um deine Familie, lass dir das Geld von der Versicherung auszahlen … Fang ein neues Leben an.«
    Ein neues Leben, denkt Dave auf dem Weg nach Hause.
    Mein ganzes Leben beruht auf Lügen.
    Pflicht, Ehre, Vaterland.
    Lügen.
    Dienst, Opfer, Integrität.
    Lügen.
    In meinem Leben waren nur zwei Dinge wahr.
    Jake und Diana.
    Wie soll ich ohne sie neu anfangen?
    Dave betritt das leere Haus.
    Das Abfindungsangebot der Versicherung liegt noch auf dem Wohnzimmertisch.
    Er setzt sich, nimmt einen Stift und unterschreibt.


    »Eigentlich darf ich gar nicht mit dir reden«, sagt Ray Flynn. Der Leiter der Anti-Terror Task Force des NYPD trägt einen Kamelhaarmantel von Burberry, und sein Haar frisch – und teuer – geschnitten. »Du bist in diesen Kreisen plötzlich sehr unbeliebt. In Quarantäne, als hättest du Lepra oder so.«
    Er steht mit Dave an der Kunsteisbahn vor dem Rockefeller Center, und sie sehen den Eisläufern in ihren hübschen Kostümen zu.
    »Wer hat dich angerufen?«, fragt Dave.
    »Alle«, erwidert Flynn. »Das Ministerium für innere Sicherheit, das FBI, die TSA – und Jameson hat sich persönlich bei mir gemeldet. ›Dave Collins sind die Sicherungen durchgebrannt. Er denkt sich irre Geschichten aus. Der ist nicht mehr ganz bei Trost.‹«
    »Und was denkst du?«
    »Ich denke, dass du der Mann bist, der in Terminal 4 Tausenden das Leben gerettet hat. Ich halte dich für einen gottverdammten Helden.« Er nimmt sich einen Augenblick Zeit, um den Hintern einer blonden Eisläuferin zu mustern, und sagt dann: »Du wolltest wissen, was wir über den kürzlich unbeweint verschiedenen Hassan Al Hulwah herausgefunden haben?«
    Flynn erzählt ihm, dass Al Hulwah in Verbindung zu einer radikal-islamistischen Moschee in der Atlantic Avenue stand.
    »Wir haben schon seit Jahren ein Auge drauf«, sagt Flynn. »Seit dem ersten Anschlag auf das World Trade Center. Eine Zeit lang hatten wir sogar einen verdeckten Ermittler dort, aber größtenteils war alles nur großspuriges Gerede – ein paar Männer, die sich in einem Hinterzimmer alte al-Qaida-Podcasts reinziehen. Zuffeir, der Imam, organisiert diese bescheuerten Veranstaltungen, und Hulwah war so was wie sein Ziehsohn, fuhr voll auf die ganze Islamistenscheiße ab.«
    Nach dem fehlgeschlagenen Attentat am JFK sah sich die Task Force in Hulwahs Zimmer im Haus seiner Eltern um und fand Aufnahmen auf seinem Laptop. Flynn greift in seine Tasche und reicht Dave eine CD.
    »Aufnahmen, in arabisch«, sagt Flynn. »Islamistische Propaganda, die sich Hulwah runtergeladen hat. Rache für Osama, der Prophet wurde beleidigt, das Übliche. Die letzte Botschaft wurde an dem Morgen heruntergeladen, an dem Flug 211 abgestürzt ist, um 4:35 Uhr. Danach verließ Hulwah das Haus und kam nie wieder.«
    »Wie lautete die letzte Botschaft?«
    Flynn sieht Dave lange an, dann sagt er: »Ist ein Koranvers.«
    Vers 211.
    Miriam steht schon an der Tür, als der Fahrstuhl aufgeht.
    Falls sie sich überhaupt verändert hat, dann ist sie in den vergangenen fünf Jahren noch hübscher geworden. Klein, schlank, ihr langes schwarzes Haar glänzt. Miriam ist eine Schönheit.
    Vielleicht war sie deshalb so effektiv als Vernehmungsoffizierin im irakischen Balad, wo sie die Task Force 145 von der Anti-Terroreinheit des FBI als zivile Vertragsmitarbeiterin verstärkte. Die anderen Vernehmungsoffiziere – besonders die Männer – neideten ihr den Erfolg und beschwerten sich bisweilen, sie kleide sich zu provokant, aber Miriam wusste, dass die hochrangigen Gefangenen ihr Erscheinungsbild ebenso anstößig wie aufregend fanden, und sie sich damit Vorteile verschaffte.
    Sie spricht fließend Arabisch, ebenso Hebräisch, Französisch, Spanisch und Englisch.
    Jetzt trägt sie einen schwarzen Rollkragenpullover zu Jeans, und Dave weiß, dass in ihrem Hosenbund eine kleine Pistole steckt.
    Er folgt ihr in ihre sparsam, aber elegant eingerichtete Wohnung. Vom Wohnzimmer aus hat sie eine wunderschöne Aussicht auf den Hudson. Überall liegen aufgeschlagene Bücher und Notizen herum.
    Miriam handelt mit Informationen.
    Ihre Kunden engagieren sie wegen ihres Wissens, ihrer Erfahrung, ihrer Quellen – weil sie geheimdienstliche Kenntnisse verfügbar machen kann. Dafür erhält sie Spitzenhonorare – das Penthouse mit dem Blick auf den Hudson gehört ihr.
    Miriam

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