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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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besitzt eine doppelte Staatsbürgerschaft – sie hat einen amerikanischen und einen israelischen Pass – und wohnt auf der Upper West Side, weil das ein altes jüdischesViertel unweit der Columbia University ist, wo sie ihren Abschluss in Psychologie und Nahoststudien gemacht hat. Ihre Großeltern wurden in Birkenau ermordet, ihr Bruder als Angehöriger der israelischen Streitkräfte im Libanon getötet, und ein Cousin kam bei einem Bombenanschlag in Tel Aviv ums Leben.
    Sie weiß, wie es ist, jemanden zu verlieren.
    Dave reicht ihr die CD und fragt: »Kannst du die Stimme identifizieren?«
    Wer auch immer hier Vers 211 zitiert, gab den Befehl, seine Familie zu töten.
    »Das ist Abdullah Aziz«, sagt Miriam. »So nennt sich ein gewisser Zeinab Julaidan Khaled, am 27. September 1976 in Accra, Jordanien geboren.«
    Sie sitzen am Tisch, Miriams Computer vor sich.
    Sie hat Zugang zur TSDB, der Terrorist Screening Data Base des FBI, die Informationen über mehr als 800   000 nachweisliche und mutmaßliche Terroristen enthält. Außerdem kann sie auf zahlreiche andere Quellen zurückgreifen – Journalisten, Politiker, Agenten aller möglichen Geheimdienste weltweit – und hat die Stimme auf Al Hulwahs Computer mit den Aufzeichnungen von Überwachungen und Vernehmungen verglichen.
    Das Stimmprofil ist mit dem von Aziz identisch.
    »In seiner Familie und seiner Kindheit gibt es keine Auffälligkeiten«, fährt sie fort. »Gehobene Mittelschicht – der Vater Arzt, die Mutter Hausfrau.«
    Auf dem Bildschirm erscheint ein Familienfoto, und Dave betrachtet die fast bizarr »normale« Aufnahme, die Khaled im Alter von schätzungsweise zwölf Jahren zeigt. Er posiert mit seinen Schwestern und seinen stolzen Eltern vor der Kamera.
    »Er hat die Al-Ahliyya-Universität in Amman besucht«, sagt Miriam, »und seinen Abschluss in Architektur gemacht. Anschließend ging er nach Lawrence an die University of Kansas.«
    Eine weitere Aufnahme von Khaled, diesmal mit wirrem schwarzem Haar, er trägt T-Shirt und Jeans und wirft gerade eine Frisbeescheibe über den Collegehof. Er lacht.
    »Die nächste Information stammt von 1999. Er lebt in Hamburg in der Nähe der al-Quds-Moschee, wo er anscheinend Schüler von Imam Mohammad al Fizazi war, einem radikalen Islamisten, mit einem ganz besonders ausgeprägten Hass gegen die Vereinigten Staaten.«
    Noch ein Foto – körnig und offensichtlich aus großer Entfernung aufgenommen, zeigt Khaled auf dem Bürgersteig vor der Moschee im Gespräch mit einem älteren Mann. Dave fällt auf, dass Khaled jetzt einen Vollbart trägt.
    »Das Foto hat der BND gemacht«, sagt Miriam. »Die Moschee stand unter Beobachtung, bis sie 2010 auf behördliche Anweisung hin geschlossen wurde. Khaled jedenfalls hat danach als Bauzeichner in einem Architekturbüro gearbeitet. Er hat eine Deutsche geheiratet, Isabel Felcher, die zum Islam übergetreten ist und seitdem Kopftuch trägt. Die beiden haben ein Kind zusammen, einen Sohn namens Ali.«
    Dave betrachtet das neue Bild von Khaled mit seiner Frau und dem Kind. Die Frau trägt einen Hidschab, aber keinen Niqab, ihr Gesicht ist nicht bedeckt. Sie hält das Baby in eine Decke gewickelt in den Armen. Der Junge muss jetzt ungefähr vierzehn sein, denkt Dave.
    »Irgendwann im Jahr 2000 hat Khaled Deutschland und seine Familie verlassen«, sagt Miriam. »In den Personalakten steht, dass ihm im März 2000 wegen fortgesetzten Nichterscheinens gekündigt wurde. Ab Juli erhielt Isabel staatlicheUnterstützung. Dann hat der deutsche Geheimdienst Khaleds Spur verloren.«
    Aber du nicht, denkt Dave.
    »Sieh dir das mal an«, sagt sie.
    Ein körniges Foto zeigt einen bärtigen Khaled in Tarnanzug und Wollweste, der mit einem anderen Mudschahedin eine Kalaschnikow inspiziert.
    Osama.
    »Die CIA hat dieses Foto auf islamistischen Websites gefunden«, sagt Miriam. »Es zeigt Khaled kurz vor dem 11. September in Osama bin Ladens Ausbildungslager in Afghanistan. Nur dass er sich jetzt Abdullah Aziz nennt.«
    »War er auch in Tora-Bora?«, fragt Dave.
    So viele Leichen haben wir da rausgezogen, hätte er nicht eine davon sein können?
    »Das wissen wir nicht«, sagt Miriam. »Aber wir wissen, dass er wenig später im Irak bei der ›al-Qaida im Zweistromland‹ auftaucht. Er wurde verletzt, konnte aber über Syrien aus dem Irak fliehen.«
    Zweimal hatten wir ihn im Visier, denkt Dave, und beide Male nicht erwischt. Oh Gott, vielleicht hatte ich ihn sogar selbst schon mal im

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