Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
solange der Helikopter in der Luft steht und sie noch am Seil hängen. Wenn sie der kenianische Helikopter jetzt erreicht, kann er sie wie einen Drachen vom Himmel holen.
Kaum sind sie drin, wendet Bobby und rast los.
Der Kapitän schwitzt.
Donovan kann’s ihm nicht verdenken – er hat den Lauf einer Pistole am Schädel, und ein Patrouillenboot ist auf Abfangkurs zu ihm unterwegs.
Da würde ich auch schwitzen, denkt Donovan, wenn mir Gott das Hirn eines Esels geschenkt hätte.
Zum Glück hat er das aber nicht.
Trotzdem ist er erleichtert, als sich Bobby über Funk meldet.
»Passagiere an Bord, kommen zurück.«
Gott sei Dank, denkt Donovan.
Dann hört er Michels Bericht.
» Eagle down. «
»Wer?«, fragt Donovan.
Die Frage hat er immer schon gehasst, weil es keine gute Antwort darauf gibt. Bevor Michel antworten kann, sagt Bobby. »Wir werden verfolgt. Aus der Luft. Ein Helikopter, zwei Jets. Versuchen auszuweichen.«
Der PAVE Hawk erreicht eine maximale Gewindigkeit von knapp 300 Stundenkilometern und Bobby holt alles raus.
Wegen des kenianischen Helikopters macht er sich keine großen Sorgen – den kann er locker abhängen –, aber die Jets sind eine ganz andere Nummer. Der Infrarot-Radar-Blockierer ist gut, aber auf kurze Distanz kann auch er nicht verhindern, dass sie entdeckt werden, und die Jets nähern sich rasant.
Major Kenneth Mazrui, KAF, sieht den blinkenden Punkt auf dem AN/APQ 159-Radar seines Northrop F-5 Tiger II Kampfjets.
Anscheinend handelt es sich um eine langsame Maschine, die sich in östlicher Richtung von der Küste wegbewegt, was mit den Berichten aus Lamu übereinstimmt.
Mazrui funkt das unbekannte Fluggerät an.
»Bitte melden, bitte melden. Identifizieren Sie sich.«
Dave hört den Funkspruch.
»Bitte melden, bitte melden. Identifizieren Sie sich.«
Wenn sie antworten, werden sie zur Landung gezwungen. Tun sie’s nicht, können sie abgeschossen werden.
Niemand sagt etwas.
Es ist Bobbys Entscheidung.
Und Bobby antwortet nicht.
»Bitte melden«, wiederholt Mazrui. »Bitte melden, sonst bin ich gezwungen, das Feuer zu eröffnen.«
Bobby hat in seinem Leben schon das ein oder andere Mal gepokert, aber hier lässt sich unmöglich feststellen, ob der kenianische Pilot blufft.
Man kann ihm nicht in die Augen sehen. Kann ihm nicht in die Karten gucken.
Na gut, scheiße, denkt Bobby. Er hat sowieso alle Karten in der Hand .
Wollen wir hoffen, dass er’s nicht weiß.
Bobby schweigt weiter.
Night Stalker geben nicht auf.
» Fox three close .«
Bobby kennt den NATO-Code.
Der Pilot ist kurz davor, eine Rakete zu zünden, die sich auf die nächste Wärmequelle ausrichtet.
Einmal gezündet, kann sie nicht mehr zurückgeholt werden.
Und die nächste Wärmequelle, das weiß Bobby, bin ich.
Mazrui macht eine AIM-120 AMRAAM – Advanced Medium Range Air-to-Air Missile – startklar, eine radargelenkte Luft-Luft-Lenkwaffe, und stellt auf Home On Jam -Betriebsmodus. Damit fliegt die Rakete das Störsignal des feindlichen Fluggeräts an.
» Fox three close «, wiederholt er.
Dann feuert er.
Bobby wirft Düppel ab – Radartäuschkörper – metallhaltige Streupartikel, die eine Wolke bilden.
»Funktioniert das mit den Täuschkörpern?«, fragt Cody.
»Keine Ahnung«, sagt Bobby. »Hab’s noch nie ausprobiert.«
Cody denkt einen Augenblick darüber nach. Dann sagt er: »Cool.«
»In einer Sekunde wissen wir mehr.«
»Wieso?«
»Wenn’s nicht funktioniert«, sagt Bobby, »gehen wir hoch.«
Dave hört die Explosion.
Nur einige hundert Meter hinter sich.
Der Nachthimmel leuchtet.
Ist voller brennender metallhaltiger Streupartikel.
Der Helikopter landet an Deck der Nemesis .
Donovan duckt sich unter den Rotorblättern. Er sieht den toten Rolf und zuckt zusammen. Dann sagt er zum Rest: »Geht rein und unter Deck. Schnell.«
»Was ist los?«, fragt Dave.
»Ein Patrouillenboot«, sagt Donovan. »Mit Affenzahn hierher unterwegs.«
Kenianische Patrouillenboote Typ P400 sind mit französischen 20mm Modèle F2 Maschinenkanonen ausgestattet und das ist mehr als genug Feuerkraft, um die Nemesis aus dem Wasser zu heben. Darüber hinaus hat eine sechzehnköpfige Besatzung darauf Platz, vermutlich allesamt mit Maschinenpistolen bewaffnet. Wenn die Kenianer an Bord kommen wollen, kommen sie an Bord.
Aber die Zeit reicht nicht, um unter Deck zu verschwinden.
Die Männer steigen gerade aus dem Helikopter, als sie der Strahl eines Suchscheinwerfers trifft und über
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