Vergeltung
das, was ihn plagte. Er musste nach Worcester, und zwar aus zwei Gründen. Worcester war der zentrale Schauplatz der Fahndung nach Vance. Er konnte mit Ambrose zusammenarbeiten, die Informationen analysieren, die die Großfahndung hereinbrachte, und tun, was er konnte, um bei Vance’ Überführung zu helfen. Und diesmal endgültig.
Und Worcester war auch die Gegend, wo er Ruhe gefunden hatte. Er konnte es nicht erklären, aber in dem Haus, das Edmund Arthur Blythe ihm hinterlassen hatte, war die Unruhe von ihm abgefallen, die ihn ständig umtrieb. Kein Ort hatte ihm zuvor das Gefühl gegeben, zu Hause zu sein. Sein Wohlbefinden an diesem Ort war ihm unerklärlich. Na gut, Blythe war sein leiblicher Vater gewesen. Aber sie hatten sich nie kennengelernt, nie miteinander gesprochen, niemals direkt in Verbindung gestanden, bis Blythe gestorben war und Tony einen Brief und ein Erbe hinterlassen hatte.
Zuerst hatte Tony alles ignorieren wollen, was mit dem Mann zu tun hatte, der ihn und seine Mutter vor seiner Geburt verlassen hatte. Obwohl er objektiv genug war zu verstehen, dass es immer eine sehr verlockende Aussicht gewesen sein musste, Vanessa zu verlassen. Das dachte er schon, lange bevor er die Umstände kannte, die zu Blythe’ abruptem Weggang geführt hatten.
Dann war er hingefahren, um sich das Anwesen selbst anzuschauen. Auf den ersten Blick war es kein Haus, für das er sich entschieden hätte. Der Stil sagte ihm nicht besonders zu. Die Einrichtung war angenehm und passte zum Haus, was hieß, dass sie ihm altmodisch vorkam. Der Garten war akribisch geplant und sehr schön bepflanzt und dadurch vollkommen außerhalb der Möglichkeiten eines Mannes, der einen Gartenbaubetrieb beauftragte, sein eigenes Rasenstück alle zwei Wochen zu mähen.
Und doch hatte er das Gefühl gehabt, dass dieses Haus ihn einhüllte wie eine kuschelige Decke. Irgendwie verstand er es in einem tieferen Sinn. Er konnte es zwar nicht rational erklären, doch hier schien irgendwie alles zu passen. Und genau deshalb wollte er an diesem Abend, nachdem die wichtigste Beziehung in seinem Leben zerbrochen war, dort sein, wo er sich geborgen fühlte.
Also setzte er sich ans Steuer und fuhr los. Es gab keine Möglichkeit, den Gedanken zu entkommen, die in seinem Kopf kreisten. Carol hatte recht. Er war derjenige, der diese Dinge hätte vorhersehen müssen. Es war ja nicht so gewesen, als hätten ihm die Fakten gefehlt. Er hatte die schrecklichen Beispiele aus Vance’ Vergangenheit, mit denen er arbeiten konnte. Die Ursache seiner Serienmorde war nicht Wollust gewesen, sondern es war das Bedürfnis, Rache zu nehmen für den Verlust an Kontrolle über einen anderen Menschen und für die Zukunft, die er dadurch verloren hatte. Und diese Rache war sozusagen indirekt gewesen. Als er schließlich festgenommen worden war und das Wesen seiner Verbrechen offensichtlich wurde, hatte eine andere Person die Last seiner Schuld getragen, weil sie überzeugt war, dass er, hätte sie sich ihm nicht in den Weg gestellt, niemals getötet hätte. Sie täuschte sich natürlich. Vance war ein Psychopath; irgendwann einmal hätte sich die Welt sowieso einmal nicht nach seinem Willen gerichtet, und dann hätte er das Problem mit äußerster Gewalttätigkeit behoben.
Da Tony all dies wusste, hätte er verstehen müssen, wie Vance seine Rache gestalten würde. In seinen Augen hatten Tony, eine Handvoll Polizeibeamte und seine Ex-Frau sein Leben zerstört. Damit hatte er leben müssen. Jeden Tag war er im Gefängnis mit dem Leben konfrontiert gewesen, das er verloren hatte. Damit die Rache angemessen war, würden auch seine Feinde mit einem Verlust leben müssen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Kein Tag würde vergehen, ohne dass Carol die schreckliche Schuld am Tod ihres Bruders ertragen musste. Vance’ Gleichung war klar: Michael und Lucy waren gestorben als Konsequenz aus dem, was Carol ihm angetan hatte. Dass sie ihn festgenommen hatte, war der erste Schritt von dem Leben weg gewesen, das er liebte. Jetzt hatte der erste Schritt auf seinem Rachefeldzug die Menschen zerstört, die Carol liebte.
Wie lange schon hatte Vance das alles geplant? Es hatte alle Anzeichen von etwas, das schon monate-, wenn nicht jahrelang erdacht worden war. Zunächst hatte er im Gefängnis eine vorbildliche Führung an den Tag legen müssen. Das war gewiss nicht leicht gewesen für einen Häftling seiner Bekanntheit. Sträflinge verbessern ihren Status, indem sie sich mit ranghohen
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