Vergeltung
gemacht hat, Jacko, dann wirst du wissen, wie du mich verletzen kannst. Durch Carol, so müsste man es machen.«
Jetzt blieb also noch Micky. Mit der treu sorgenden Betsy hatte sie sich ins hinterste Herefordshire zurückgezogen und züchtete Rennpferde. Das war bestimmt Betsys Einfluss, da hätte er wetten können. Betsy war selbst blaublütiger Abstammung, dieser englische Landadel, wo Frauen noch Tweed und Kaschmir trugen, einen Labrador mitführten und sich fragten, sich wirklich fragten, was aus der Welt noch werden sollte. Tony lächelte, als er sich an Betsy erinnerte, das braune Haar mit den Silbersträhnen durch einen Haarreif zusammengehalten, Bäckchen wie rote Äpfel; sie leitete eine Fernsehsendung genau so, wie ihre Mutter wahrscheinlich das Dorf dirigierte. Er hatte den Verdacht, dass sie auch Micky Morgan unter ihrer Fuchtel hatte. Und dass, als Mickys Welt zerbrach, als das Fernsehen sich weigerte, weiter die Moderatorin einer Magazinsendung zu beschäftigen, deren Mann wegen der Ermordung junger Mädchen vor Gericht stand, als ihre Millionen von Fans schockiert zurückschreckten, da hatte Betsy den Trümmerhaufen einfach ausgeblendet und war mit Micky zur nächsten erfolgreichen Unternehmung übergegangen.
Die nächste erfolgreiche Unternehmung war das Züchten von Rennpferden. Tony hatte nichts darüber gewusst, bis er am Morgen die Berichte in den Medien gesehen hatte. Aber es passte genau. Die Kreise des Rennsports hatten ihre eigenen Gesetze und waren immer noch ein Zufluchtsort für noble Damen wie Betsy. Micky hatte sich gut in die Szene eingefügt. Sie machte in dieser Umgebung eine sehr gute Figur, und die Gefahr, dass ihr potenzielle Ehemänner nachstellten, war auch von vornherein gebannt. Sie war wohlgesittet, von angenehmer Erscheinung und eine gute Gesellschafterin. Seien wir doch ehrlich, dachte Tony, es gab viele Leute in den Rennsportkreisen mit kontroverser Vergangenheit, die akzeptiert wurden, ohne dass man das an die große Glocke hängte. Betsy hatte erneut alles richtig gemacht.
Und all dies machte Betsy zu einem möglichen Opfer von Vance. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie es gewesen war, deren schlauer Plan ihm vor Jahren die Durchführung seiner sadistischen Mordserie erleichtert hatte. Natürlich hatte sie das nicht beabsichtigt, aber die Scheinehe zwischen ihrer eigenen Geliebten und einem Mann, der Deckung brauchte, war die perfekte Fassade für Vance gewesen. Während Micky und Betsy unbekümmert der Meinung waren, dass die Lüge zu ihrem Vorteil diene, hatte sie einem Serienmörder ein teuflisches Alibi geliefert. Aber Vance war ins Gefängnis gekommen, und sie lebten immer noch zusammen. Tony konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Zustand Vance erfreute.
Zu seiner Überraschung war er fast schon an der Ausfahrt nach Worcester. Er verließ die Autobahn und nahm sich vor, Ambrose einzuschärfen, wie wichtig es war, Betsy zu schützen. Ihr Tod wäre an sich schon eine Befriedigung, aber er würde auch Micky ruinieren. Ein Doppelschlag, genau wie beim letzten Mal.
Tony gähnte. Es war ein langer, stressiger Tag gewesen. Er wollte jetzt nur noch ins Bett fallen, aber er wusste, dass er vorher mit Ambrose reden musste. Macht nichts. Er konnte den Anruf zumindest von einem bequemen Sessel aus erledigen, mit einem Glas von Arthur Blythe’ vorzüglichem Armagnac in der Hand. Er bog in seine Straße ein und war schockiert, drei Feuerwehrautos zu sehen, die die Straße blockierten. Polizeiwagen standen um die Löschfahrzeuge herum und machten es unmöglich, weiterzufahren. Auf den Gehwegen standen Gaffer, die die Hälse reckten, um das Unglück eines anderen besser beobachten zu können.
Mit einer schrecklichen, düsteren Vorahnung stieg Tony aus dem Wagen. Geruch und Geschmack von Rauch kamen ihm entgegen, beißend und dicht. Er ging zur Mitte der Straße, und als er um die Kurve bog und Flammen sah, die spitz in den Himmel schossen, und Wasserstrahlen, die auf sie gerichtet waren, fing er an zu laufen. Der Rauch ließ seine Augen tränen, aber er konnte doch ausmachen, wo der Brand war. Er lief schneller, Tränen liefen ihm über die Wangen, und er gab wortlose Schreie von sich.
Ein massiger Mann trat ihm in den Weg, packte ihn fest und zog ihn an sich. »Tony«, sagte Ambrose. »Es tut mir leid.«
Tony fletschte die Zähne zu einer Art urzeitlicher Grimasse der Wut. »Verdammt, das kam mir nie in den Sinn«, stieß er zwischen den Schluchzern hervor.
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