Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
sie entdeckt, während ich noch dort war. Hat Franklin dir nichts davon gesagt?«
    »Franklin sagt mir ungefähr so viel wie du, wie ich jetzt merke.«
    Tony ließ es dabei bewenden. Er hatte ja sowieso nicht mit ihr streiten wollen. »Jedenfalls glaube ich nicht, dass er von dem Boot weiß. Ich bin sehr lange nicht mehr hier gewesen. Saul vom Pub behält es im Auge für mich. Und als ich gestern Abend hierherkam, hat Alvin einen der Techniker es für mich untersuchen lassen. Keine Kameras, keine Wanzen. Ich glaube also, es ist nicht auf Vance’ Schirm. Es ist eine sichere Unterkunft.«
    »Er hat sie beobachtet?«
    »Er hat seinen Moment genau ausgewählt. Als sie bestimmt nicht bemerken würden, dass er sich ihnen näherte.«
    »Scheißkerl«, sagte sie, schloss die Augen und legte den Kopf in die Hände.
    »Dort vorn ist eine Kabine«, sagte Tony. »Schönes Bett. Arthur hatte es gern bequem. Du könntest dir zwei Stunden Schlaf erlauben, bevor du einfach umkippst.«
    Sie schüttelte sich, stand auf und setzte sich sofort wieder. »Wow, ich bin noch nicht standfest. Danke, aber ich muss …«
    »Du musst nirgends sein. Dein Team in Bradfield weiß, wie man eine Ermittlung organisiert. Alvin Ambrose und Stuart Patterson sollten Spielraum haben, um sich zu beweisen, bevor du dann wirklich ihre Chefin bist. Wenn sie dich unbedingt für irgendetwas brauchen, wird dich jemand anrufen.« Er hatte sich noch nie so angestrengt, sie dazu zu bringen, auf ihn zu hören. Selbst wenn es nur dauerte, bis sie wieder wach war, lohnte sich die Mühe.
    Carol schaute sich um und überlegte. »Und du? Du siehst übel aus. Hast du letzte Nacht geschlafen?«
    »Ich kann doch nie schlafen«, sagte er. »Wieso sollte eine Nacht mehr einen Unterschied machen?« Das stimmte nicht ganz. Die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens hatte er schreckliche Schlafgewohnheiten gehabt; sie hatten sich jedoch in der friedlichen Umgebung von Arthur Blythe’ Haus verloren. Das war einer der Gründe, warum er es so gemocht hatte. Aber er hatte niemals jemandem davon erzählt, und jetzt konnte er es ihr nicht sagen. Es würde sich zu sehr wie ein verzweifelter Schrei nach Mitgefühl ausnehmen. »Geh und schlaf, Carol. Du kannst weiter mit mir streiten, wenn du wieder wach bist.«
    »Das stimmt«, antwortete sie und machte keine Einwände mehr. Er sah ihr nach, wie sie die wenigen Meter zur vorderen Kabine ging, und sein Herz war so schwer wie noch nie. Er konnte die Überzeugung nicht unterdrücken, dass etwas Endgültiges zwischen ihnen vorging.

44
    I m heutigen England konnte man so ziemlich alles mieten, stellte Vance fest. Früher kaufte man im Prinzip alles, solange man das Geld hatte. Heute, so schien es ihm, mietete man. Wenn man es sich schon nicht leisten konnte, etwas zu besitzen, dann konnte man wenigstens so tun als ob. Es war eine der Segnungen des Internets, dass man problemlos Leute ausfindig machen konnte, die unterschiedlichste Bedürfnisse stillten.
    Am späten Nachmittag hatte er ein Quad auf dem Hänger seines Luxusgeländewagens. Beim selben Händler hatte er einen großen Sack Kraftfutter für Zuchthengste erstanden. Welch bittere Ironie! Ein lesbisches Paar als Rennstallbetreiber. Des Weiteren hatte er sich mit einer ärmellosen grünen Steppweste, einem Lambswoolpullover, Tweedmütze und einem Paar Reitstiefel ausgestattet. Er war bestens vorbereitet.
    Zwei Meilen von Mickys Farm entfernt bog er von der Hauptstraße auf einen schmalen Feldweg ab, der durch ein kleines Waldstück führte. Sobald die Straße außer Sichtweite war, hielt er an, lud das Quad ab und wendete den Geländewagen, damit eine schnelle Flucht möglich war. Er legte seine Verkleidung an, trimmte sorgfältig seinen Schnurrbart und ersetzte seine Patrick-Gordon-Brille durch eine Motorradbrille. Dann lud er den Sack Kraftfutter hinten auf das Quad und verdeckte damit geschickt sein sorgsam zusammengestelltes Brandstifter-Kit.
    Ungefähr eine Meile folgte er dem Weg, genau wie er es sich nach den Landkarten und Google Earth eingeprägt hatte, schwenkte dann nach rechts ab und fuhr durch ein offenes Gatter. Er holperte über ein weites Wiesengrundstück hinweg und war dankbar dafür, dass es in letzter Zeit kaum geregnet hatte. Am anderen Ende befand sich ein weiteres Gatter zu einem Feld, von dem ein halbes Dutzend Pferde uninteressiert zu ihm blickte, als er an ihrer Weide entlangfuhr. Jetzt konnte er Mickys Farmhaus erkennen, schemenhaft tauchte es hinter den

Weitere Kostenlose Bücher