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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nichts davon gehört? Warum erfahre ich es von dir?«
    Tony zuckte mit den Achseln. »Darauf habe ich keine Antwort. Vielleicht weil ich meine Risikoanalyse noch nicht abgegeben habe. Aber du könntest recht haben. Ich bin mir zwar nicht sicher, dass sie in Vance’ Augen eine so bedeutende Rolle spielten, dass er sie jetzt im Visier hat, aber trotzdem müssen sie informiert werden.«
    »Und seine Ex«, fügte Carol hinzu. »Mein Gott. Sag mir doch, dass sie Micky Morgan benachrichtigt haben.«
    »Ich habe ihnen sofort gesagt, dass man sie warnen sollte«, erklärte Tony. »Er wird das, was sie getan hat, als Verrat betrachten. Sie hat in der Not nicht zu ihm gehalten und ihn noch dazu gedemütigt. So wird er das sehen. Anstatt sich scheiden zu lassen, entschied sie sich für die Annullierung. Du und ich, wir verstehen, wieso Vance eine Zweckehe wollte. Aber für den durchschnittlichen Gefangenen bedeutet der Nichtvollzug der Ehe nur eins.« Er warf Carol einen schrägen Blick zu. »Dass man ein trauriger alter Sack ist, der ihn nicht hochkriegt.«
    Carol sah den Schmerz in seinen Augen und fühlte mit ihm. Es war nicht nur seine Impotenz allein, die im Lauf der Jahre zwischen ihnen gestanden hatte, aber sie hatte todsicher nicht geholfen. »Du bist kein trauriger alter Sack«, widersprach sie rasch. »Hör auf, dich zu bedauern. Du sagst also, dass Micky Vance zum Gespött gemacht hat.«
    »Er hielt das bestimmt für Absicht«, meinte Tony. »Aber ich glaube nicht, dass er als Erstes auf sie losgehen wird. Was sie getan hat, war sozusagen ein nachträglicher Dolchstoß. Die wirklichen Bösewichter sind die, die ihm sein Leben weggenommen haben.«
    »Und das wären wir«, sagte Carol. Die Angst wurde nun fast schon zur Panik. Sie brauchte jetzt wirklich etwas zu trinken.
    »Ich glaube, wir haben ein schmales Zeitfenster, bevor er handelt«, meinte Tony. »Vance ist nie gern Risiken eingegangen. Er wird ausgeruht sein und sichergehen wollen, dass seine im Gefängnis erdachten Pläne in der Praxis funktionieren. Das gibt uns allen Zeit, unsere Angelegenheiten zu ordnen und abzutauchen.«
    Carol schien verwirrt. Der Gedanke, der Angst nachzugeben, war ihr ein Greuel. »Untertauchen? Bist du verrückt? Wir müssen draußen mit dem Suchteam zusammenarbeiten.«
    »Nein«, widersprach Tony. »Das kommt nicht in Frage. Du solltest dich irgendwo aufhalten, wo er dich nicht sucht. In den walisischen Bergen oder auf einer belebten Londoner Straße. Aber auf keinen Fall beim Suchteam, das sind doch genau die Leute, die zu beobachten er sich die größte Mühe geben wird. Carol, ich will, dass wir alle diese Sache überleben. Und es ist am besten, uns aus der Gefahrenzone fernzuhalten, bis sie Vance erwischen und dorthin bringen, wo er hingehört.«
    Carol starrte ihn an. »Und was ist, wenn sie ihn nicht erwischen? Wie lange verschwinden wir dann von der Bildfläche? Wie lange legen wir unser Leben auf Eis – bis es ungefährlich ist, wieder rauszukommen?«
    »Sie werden ihn fassen. Er ist doch nicht Superman. Er hat keine Ahnung von der Überwachungsgesellschaft, die sich entwickelt hat, seit er eingesperrt wurde.«
    Carol schnaubte. »Meinst du? Nur durch die moderne Technik, wenn auch in einer primitiveren Version, konnten wir ihn damals dingfest machen. Ich glaube, er ist sich sehr bewusst, welche Möglichkeiten es heute gibt. Wenn er in der therapeutischen Abteilung war, hatte er Fernsehen und Radio. Vielleicht sogar begrenzten Zugriff aufs Internet. Tony, Vance weiß genau, was ihn erwartet, und er hat das bestimmt in seine Pläne einbezogen.«
    »Umso mehr Grund haben wir unterzutauchen«, beharrte Tony störrisch. Er schlug mit den Handflächen auf die Armlehnen seines Stuhls. »Verdammt, Carol, ich will nicht noch jemanden an den kranken Scheißkerl verlieren.« Sein Gesichtsausdruck war offen und wehrlos und erinnerte sie daran, wie persönlich ihn Shaz Bowmans Tod getroffen hatte. Die Schuld, die er auf sich genommen hatte, belastete ihn jahrelang, nicht zuletzt, weil die Rechtsprechung Vance davonkommen ließ, ohne dass er die Folgen dieses ganz besonders brutalen Verbrechens zu tragen hatte.
    »Das wirst du auch nicht«, sagte sie sanft und einfühlsam. »Es wird nicht so laufen wie letztes Mal. Aber Polizeibeamte wie wir verstecken sich nicht vor Unmenschen wie Jacko Vance. Wir verfolgen sie.« Sie hielt eine Hand hoch, um ihn zum Schweigen zu bringen, noch bevor er sprechen konnte. »Und ich sage das nicht aus

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