Vergeltung
von Vance’ Verhaftung alle seine Befehle in sämtlichen Einzelheiten ausgeführt hatte. Terrys Falschaussage hatte dazu geführt, dass seine ersten Verurteilungen wegen Mordes in Zweifel gezogen wurden. Denn Terry hatte nie hinterfragt, was von ihm verlangt wurde, und war in seinem Glauben an Vance’ Unschuld unerschütterlich. Einen Augenblick schien er unsicher. Dann trafen sich ihre Blicke, und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. Er breitete weit die Arme aus und trat zurück. »Komm rein, Mann«, begrüßte er ihn in seinem typischen Geordie-Akzent aus der Gegend von Newcastle.
Vance trat ein und schloss die Tür hinter sich. Er stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus und erwiderte Terrys Grinsen. »Is’ super, dich zu sehen, Terry«, sagte er und bediente sich entspannt wieder seines eigenen schmeichelwarmen Tonfalls.
Terry konnte gar nicht aufhören zu lächeln. »Es ist klasse, Jacko. Einfach spitze. Es war so deprimierend die ganzen Jahre, dich immer nur da drin zu sehen.« Er wies mit einer Armbewegung auf das Zimmer. »Ist das nicht schön?«
Es war tatsächlich viel besser, als Vance sich diesen Zwischenstopp auf seiner Reise zurück zu dem Luxus und Komfort vorgestellt hatte, zu Annehmlichkeiten, die er sich herbeiwünschte und als sein Recht betrachtete. Das Zimmer war sauber und roch weder nach Zigarettenrauch noch nach Alkohol. Die Ausstattung war einfach, weiße Wände und Bettwäsche, dunkle Holztäfelung hinter dem Bett und ein Tisch, der auch als Schreibtisch diente. Die Vorhänge waren tabakbraun. Nur der Teppich und die Tagesdecke waren bunt. »Das hast du gut gemacht, Terry«, lobte er, nahm die Mütze ab und zog die Jacke aus.
»Wie ist es gelaufen? Kann ich dir’n Tee machen? Brauchst du irgendwas? All deine Unterlagen und Ausweise sind hier im Aktenkoffer. Und ich hab ein paar gute Salate und Sandwichs von Marks&Spencer«, plapperte Terry.
»Es lief wie am Schnürchen«, antwortete Vance und streckte sich genüsslich. »Kein einziges Problem.« Er schlug Terry auf die Schulter. »Danke. Aber eins nach dem anderen. Jetzt muss ich erst mal duschen.« Er blickte angeekelt auf seine Arme hinunter. »Ich will diese potthässlichen Dinger loswerden. Warum sich das jemand antut, ist mir ein Rätsel.« Er ging aufs Badezimmer zu.
»Aber nicht schlecht, dass Jason sie hatte«, meinte Terry. »Mit solchen Tattoos, da schaut niemand allzu gründlich aufs Gesicht, oder?«
»Genau. Hast du’n Rasierapparat, Terry? Ich will das Kinnbärtchen abnehmen.«
»Alles dort drin, Jacko. Alles, was du wolltest, all deine gewohnten Sachen.« Terry warf ihm wieder ein Lächeln zu, immer bemüht, ihm alles recht zu machen.
Vance schloss die Badezimmertür und drehte das Wasser in der Dusche an. Terry war wie ein treuer Hund. Was immer Vance verlangte, besorgte er im Eiltempo. Egal, wie viele Wünsche Vance äußerte, Terry schien trotzdem das Gefühl zu haben, er sei derjenige, der Dank schuldete. All das ging auf eine einfache Tatsache zurück. Als Vance noch ein Promi war, hatte er stundenlang am Bett von Terrys Zwillingsschwester Phyllis gesessen, die im Sterben lag, weil der Krebs ihren Körper zerstört hatte. Terry hatte geglaubt, Vance tue dies aus Mitgefühl. Er hatte nie begriffen, dass Vance nur deshalb den Sterbebegleiter spielte, weil er gern beobachtete, wie ihr Leben langsam entschwand. Es gefiel ihm zuzusehen, wie alles Menschliche aus den Sterbenden heraussickerte, bis sie nur noch eine leere Hülle waren. Glücklicherweise, für ihn jedenfalls, war Terry nie darauf gekommen, dass dies sein Motiv sein könnte, denn er hatte einen Akt großer Güte darin gesehen. Phyllis war immer eine begeisterte Zuschauerin von Vance’s Visits gewesen; und dass jetzt der leibhaftige Moderator an ihrem Bett saß, war der Lichtblick in ihrem dahinschwindenden Leben gewesen.
Vance nahm seine Prothese ab, trat in die Duschkabine und genoss den endlosen Wasserstrahl, dessen Temperatur er selbst regulieren konnte. Es war die reinste Glückseligkeit. Er wusch sich von Kopf bis Fuß mit einem teuren Duschgel, das nach echter Limone und Zimt roch. Dann wusch er sich das Tattoo vom Nacken, rasierte den Bart ab und ließ nur den Schnurrbart stehen. Lange stand er unter dem Wasserstrahl und genoss das Gefühl, wieder Herr über sein eigenes Schicksal zu sein. Schließlich begann das aufgetragene Tattoo sich zu lösen und rutschte an seinem Arm hinunter wie auf einem Dalí-Bild. Vance rieb
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