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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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drauf ist. Sie haben doch eine Gefängnispsychologin, die ihn anscheinend gut genug kannte, um ihn in der therapeutischen Abteilung unterzubringen. Reden Sie mit ihr.« Tony stöhnte genervt.
    »Das werden wir natürlich tun. Aber ich habe sehr großen Respekt vor Ihren Fähigkeiten, Tony. Damals, als Sie Vance das Handwerk legten, war ich nicht in den Fall involviert. Aber ich erinnere mich daran, wie Ihre Arbeit die Einstellung des Innenministeriums zum Profiling verändert hat. Ich möchte Ihnen die Akte Vance schicken und bitte Sie um Ihre Einschätzung. Wo geht er hin und was hat er vor?« Lambert hatte seine Selbstsicherheit wiedergewonnen. Er hatte es zwar durch seine Komplimente verschleiert, es war jedoch ganz klar eine energische Forderung.
    »Ich kann nur Vermutungen anstellen.« Wenn es um die hohen Tiere des Amtsapparats ging, hütete sich Tony, ihnen auch nur einen Funken Hoffnung zu garantieren, der später als Waffe gegen ihn verwendet werden konnte.
    »Ihre Vermutungen sind weitaus besser als die durchdachten Überzeugungen der meisten Ihrer Kollegen.«
    Wenn alles andere nichts bringt, versucht man es am besten mit Schmeichelei, dachte Tony. »Eins kann ich sagen, auch ohne die Unterlagen gesehen zu haben …«
    »Und zwar?«
    »Ich weiß nicht, wo Micky Morgan zurzeit ist, aber man muss sie suchen und ihr mitteilen, dass Vance frei herumläuft. So wie Vance die Welt sieht, ist sie immer noch seine Frau. Es spielt keine Rolle, dass es eigentlich nie eine Ehe war oder dass sie sie für ungültig erklären ließ. Aus seiner Sicht hat sie ihn verraten. Und er mag es nicht, ausgebremst zu werden.« Tony unterbrach sein Auf-und-ab-Gehen und lehnte die Stirn gegen die Tür. »Leider wissen wir das ja allzu genau. Er ist ein Killer, Piers. Jeder, der ihn jemals verärgert hat, ist ernsthaft in Gefahr.«
    Einen Moment herrschte Stille. Als Lambert wieder sprach, war seine Stimme ungewohnt sanft. »Trifft das nicht auch auf Sie zu, Tony? Sie und DCI Jordan? Sie beide haben ihn doch erledigt. Sie und Ihr Team aus Nachwuchsprofilern. Wenn Sie glauben, dass er hinter den Leuten her ist, denen er seine Haftstrafe anlastet, dann stehen Sie doch bestimmt ganz oben auf der Liste, oder?«
    Dass das Tony gar nicht in den Sinn gekommen war, zeigte, wie wenig selbstzentriert er dachte. Jahre praktischer klinischer Arbeit hatten ihn gelehrt, seine eigene Schutzlosigkeit so gründlich zu verstecken, dass er selbst sie fast aus den Augen verloren hatte. Und obwohl er viel über Carol Jordans Schwachstellen wusste, war er so daran gewöhnt, sie als ihre eigene ärgste Feindin zu sehen, dass er fast vergessen hatte, dass es da draußen auch noch andere Bedrohungen gab, Bedrohungen, die ihr viel gefährlicher werden konnten als ihre eigenen Schwächen. »Daran hatte ich nicht gedacht«, antwortete er jetzt kopfschüttelnd, nicht gewillt, sich als mögliches Ziel zu sehen. Wenn er sich das eingestand, würde alles andere beschmutzt und verzerrt werden von der Angst, wen Vance wohl als Nächsten töten würde.
    »Ich denke, Sie sollten sich der Möglichkeit bewusst sein«, sagte Lambert. »Ich werde die Dateien hochladen lassen und Ihnen die Passwörter schicken, die Ihnen Zugriff gewähren. Sobald wir irgendetwas von der Polizei in North Yorkshire hören, melde ich mich.«
    »Ich habe nicht gesagt …«
    »Aber Sie werden es tun, Tony. Das wissen Sie doch. Wir sprechen uns bald.«
    Und weg war er. Ganz kurz dachte Tony daran, Carol anzurufen. Aber Neuigkeiten dieser Art ließen sich besser persönlich übermitteln. Er nahm seine Autoschlüssel und die Jacke und ging auf die Tür zu. Auf halbem Weg zum Polizeipräsidium in Bradfield fiel ihm ein, dass er ja seine eigenen Gründe gehabt hatte, mit Piers Lambert ein Gespräch zu führen. Er war davon überzeugt, dass ein individuelles Leben so viel wert war wie das andere. Aber wenn es darum ging, Carol Jordan zu retten, war das doch wichtiger als alles andere.
    Keine uneingeschränkt angenehme Schlussfolgerung, aber sie war unausweichlich.

11
    T ony betrat das Zimmer und hielt den Blick fest auf Carol geheftet. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich muss dich sprechen, jetzt und unter vier Augen.«
    Da Carol sah, wie ernst es ihm war, wechselte ihr Gesichtsausdruck von verärgert zu perplex. Tony hatte in all den Jahren, seit sie ihn kannte, nie unnötig blinden Alarm geschlagen. Was immer das Problem war, es musste sehr wichtig sein. »In meinem Büro«, sagte sie und wies mit

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