Vergessene Stimmen
in privaten Datenbanken, wie sie zum Beispiel Credit-Reporting-Dienste unterhielten. Bosch sah, dass die auf dem Ausdruck angegebenen Wohnsitze Roland Mackeys bis in die Zeit zurückreichten, als er achtzehn wurde. Allen gegenwärtig vorliegenden Daten zufolge, einschließlich Führerschein und Kfz-Zulassung, war Mackeys aktueller Wohnsitz die Adresse in Panorama City. Auf dem Computerausdruck hatte Rider allerdings die Adresse eingekreist, unter der Mackey im Alter von achtzehn bis zwanzig gewohnt hatte – zwischen 1988 und 1990. Es war eine Wohnung am Topanga Canyon Boulevard in Chatsworth. Das hieß, zum Zeitpunkt des Mordes hatte Mackey in unmittelbarer Nähe von Rebecca Lost gewohnt. Aufgrund dieses Sachverhalts hatte Bosch sofort ein besseres Gefühl bei der Sache. Nähe zum Tatort war ein wichtiges Teilchen des Puzzles. Ungeachtet von Boschs Bedenken hinsichtlich Mackeys krimineller Vergangenheit war die räumliche Nähe im Jahr 1988 ein großes Plus, denn sie bedeutete, dass er Rebecca Lost persönlich oder zumindest vom Sehen gekannt haben könnte.
»Räumt das deine Bedenken aus, Harry?«
»Ein bisschen.«
»Gut. Dann gehe ich jetzt mal los.«
»Ich halte inzwischen hier die Stellung.«
Nachdem Rider gegangen war, stürzte sich Bosch wieder in die Durchsicht der Mordakte. Der dritte Ermittlungsbericht befasste sich vor allem mit der Frage, wie der Täter in das Haus gelangt war. Auf Tür- und Fensterschlössern fanden sich keinerlei Spuren, die darauf hindeuteten, dass sich jemand an ihnen zu schaffen gemacht hatte, und alle existierenden Hausschlüssel konnten Familienangehörigen und einer Haushälterin zugeordnet werden, gegen die keinerlei Verdachtsmomente vorlagen. Die Ermittler stellten daher die Theorie auf, dass der Mörder durch die Verbindungstür zur Garage ins Haus gekommen war, die normalerweise offen gelassen wurde, bis Robert Lost von der Arbeit nach Hause kam.
Laut Robert Losts Aussagen war die Garage offen gewesen, als er am Abend des 5. Juli gegen halb elf aus dem Restaurant nach Hause kam. Die Verbindungstür zwischen Garage und Haus war nicht abgeschlossen gewesen. Er ging ins Haus, machte das Garagentor zu und schloss die Verbindungstür ab. Die Ermittler vermuteten, dass der Mörder zu diesem Zeitpunkt bereits im Haus gewesen war.
Als Begründung für das offen gelassene Garagentor gaben die Losts an, dass ihre Tochter erst kürzlich den Führerschein gemacht hatte und gelegentlich das Auto ihrer Mutter hatte benutzen dürfen. Allerdings hatte sie beim Raus- und Reinfahren nicht immer daran gedacht, das Garagentor zu schließen, und war deshalb von ihren Eltern mehr als einmal gerügt worden. Am späten Nachmittag des Tages, an dem sie entführt wurde, hatte Rebecca für ihre Mutter etwas aus der Reinigung abgeholt und dazu deren Auto benutzt. Eine Überprüfung durch die Ermittler ergab, dass sie um 17.15 Uhr ein paar Kleidungsstücke abgeholt hatte und dann nach Hause zurückgekehrt war. Die Ermittler gingen davon aus, dass sie bei dieser Gelegenheit wieder einmal vergessen hatte, das Garagentor zu schließen und die Verbindungstür zum Haus abzusperren. Ihre Mutter sagte, sie hätte an dem Abend nicht nachgesehen, sondern angenommen, dass das Tor geschlossen war.
Zwei Nachbarn, die nach dem Mord befragt wur den, sagten aus, das Garagentor sei an besagtem A bend offen gewesen. Demnach dürfte es bis zu Robert Losts Heimkehr kein Problem gewesen sein, ins Haus zu kommen.
Unwillkürlich musste Bosch daran denken, wie oft er im Lauf der Jahre erlebt hatte, dass einem scheinbar harmlosen Versehen eine entscheidende Rolle in dem daraus resultierenden Verhängnis zukam. Ein so alltäglicher Vorgang wie das Abholen von ein paar Kleidern könnte dem Mörder die Gelegenheit verschafft haben, ins Haus zu gelangen. Möglicherweise hatte Becky Lost, ohne sich dessen bewusst zu sein, ihren eigenen Tod herbeigeführt.
Bosch schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Er hatte die erste Hälfte der Mordakte durchgesehen. Aber bevor er die zweite Hälfte in Angriff nahm, wollte er sich noch eine Tasse Kaffee holen. Er fragte, ob jemand von seinen Kollegen etwas aus der Cafeteria bräuchte, und erhielt von Jean Nord eine Kaffeebestellung. Er ging in die Cafeteria, füllte an der Maschine zwei Becher, bezahlte und ging zur Zutatentheke, um für Nord Sahne und Zucker zu holen. Als er einen Schuss Sahne in einen der Becher gab, spürte er plötzlich, dass jemand neben ihm stand. Um Platz zu
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