Vergessene Stimmen
Rand des Grundstücks entlang zu einem zweiten, dahinter gelegenen Haus führte, dem flag lot , das die Form einer Flagge hatte.
Dieser Umstand erschwerte die Observierung. Als Bosch die lange Zufahrt zum hinteren Grundstück entlangschlich, behielt er sowohl das Haus vorne an der Straße scharf im Auge als auch Mackeys Haus dahinter. Mackey hatte seinen Camaro neben einem ramponierten Ford 150 Pickup geparkt. Das hieß, dass Mackey möglicherweise einen Mitbewohner hatte.
Bosch blieb stehen, um sich die Autonummer des F-150 zu notieren. Dabei bemerkte er einen alten Sticker auf der Stoßstange des Pickup: KANN DER LETZTE AMERIKANER, DER L.A. VERLÄSST, BITTE DIE FLAGGE MITNEHMEN. Es war ein weiterer kleiner Pinselstrich zu dem Bild, das sich vor Boschs innerem Auge abzuzeichnen begann.
So leise er konnte, ging Bosch den gepflasterten Weg an der Seite des Hauses entlang. Das Haus war auf kniehohen Stützen errichtet, weshalb es ihm nicht möglich war, durch eins der Fenster zu spähen. Als er die Rückseite des Hauses erreichte, hörte er Stimmen, aber erst als er den wabernden blauen Schein auf der Jalousie des nach hinten gelegenen Zimmers sah, merkte er, dass sie aus dem Fernseher kamen. Er wollte gerade den Platz hinter dem Haus überqueren, als plötzlich sein Handy zu läuten begann. Rasch fasste er in die Tasche und stellte den Ton ab. Gleichzeitig zog er sich hastig an der Seite des Hauses entlang zur Einfahrt zurück. Er lauschte auf irgendwelche Geräusche aus Richtung des Hauses, hörte aber nichts. Als er die Straße erreichte, schaute er zurück, bemerkte aber nichts, was darauf hindeutete, dass jemand im Haus das Läuten des Handys gehört hatte.
Das war verdammt knapp gewesen. Bosch war außer Atem. Als er zu seinem Auto zurückkehrte, versuchte er, seine Fassung wiederzuerlangen und sich von der potenziellen Katastrophe zu erholen. Wie bei der ungeschickt durchgeführten Befragung Daniel Kotchofs musste er sich eingestehen, dass er Rost angesetzt hatte. Er hatte den Klingelton des Handys vergessen abzustellen, bevor er sich dem Haus näherte. Es war ein Fehler, der alles hätte zunichte machen können und möglicherweise zu einer Konfrontation mit dem Objekt der Ermittlung geführt hätte. Bevor er den Dienst quittiert hatte, wäre ihm so etwas nicht passiert. Unwillkürlich musste er an das denken, was Irving gesagt hatte: dass er ein Runderneuerter war, der sich auflösen und platzen würde.
Im Auto sah Bosch auf die Anruferliste des Handys und stellte fest, dass der Anruf von Kiz Rider gekommen war. Er rief sie zurück.
»Harry, ich hab gesehen, dass du vor kurzem angerufen hast. Ich hatte alle Telefone abgestellt. Was gibt’s?«
»Nicht viel. Ich wollte nur sehen, wie’s bei dir so läuft.«
»Na ja, es geht so. Ich habe alles ordentlich gegliedert und bin so gut wie fertig. Morgen früh schreibe ich den Antrag zu Ende und leite ihn an die entsprechenden Stellen weiter.«
»Gut.«
»Tja, dann werde ich mich jetzt mal schlafen legen. Und wie sieht’s bei dir aus? Hast du Robert Lost gefunden?«
»Noch nicht. Aber ich habe eine Adresse für dich. Ich bin Mackey gefolgt, als er von der Arbeit nach Hause fuhr. Er hat ein kleines Haus am Freeway, in Woodland Hills. Dort könnte es einen Festnetzanschluss geben, den du vielleicht auch noch auf die Abhörliste setzen solltest.«
»Gut. Gib mir die Adresse. Die Nummer müsste problemlos rauszukriegen sein. Ich finde es allerdings nicht so toll, dass du dem Verdächtigen allein folgst. Das ist nicht sehr klug, Harry.«
»Wir brauchten doch seine Adresse.«
Von seinem Beinahepatzer würde er ihr nichts erzählen. Er gab ihr die Adresse durch und wartete, bis sie sie aufgeschrieben hatte.
»Das ist aber noch nicht alles«, fuhr er fort. »Ich habe ein paar Anrufe gemacht.«
»Für deinen ersten Tag zurück im Dienst warst du ganz schön fleißig. Was hast du alles?«
Er schilderte ihr den Inhalt der Anrufe, die er gemacht und erhalten hatte, nachdem sie das Büro verlassen hatte. Rider stellte keine Fragen und schwieg, als er fertig war.
»Damit bist du auf dem neuesten Stand«, sagte Bosch. »Was denkst du, Kiz?«
»Ich denke, da könnte sich langsam ein Bild abzeichnen, Harry.«
»Ja, genau das denke ich auch. Und dazu noch das Jahr, 1988. Du hast da ja sowieso schon eine mögliche Verbindung gesehen, glaube ich. Vielleicht wollten diese Arschlöcher 88 ganz bewusst ein Exempel statuieren. Das Dumme ist nur, dass das ganze Material
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