Vergessene Stimmen
Sexualdelikts ab, worauf er unverzüglich den Wohnsitz wechselte, ohne dass sein Name auf einem offiziellen Dokument oder einem Mietvertrag aufgetaucht wäre. Ebenso wenig hat er bei seinem früheren Vermieter oder bei der Post eine neue Adresse hinterlassen. Er lebt im selben Haus wie ein ehemaliger Häftling, mit dem zusammen er früher erwiesenermaßen an kriminellen Aktivitäten beteiligt war. Dabei handelt es sich um William Burkhart, der ebenfalls in dem Antrag aufgeführt ist. Und wie Sie dem Antrag weiter entnehmen können, benutzt Mackey ein Telefon, das nicht auf seinen Namen zugelassen ist. Er versucht eindeutig unterzutauchen, Euer Ehren. Alle diese Punkte ergeben zusammen das Bild einer Person, die Vorkehrungen trifft, ihre Beteiligung an kriminellen Aktivitäten zu vertuschen.«
»Vielleicht will er sich auch nur einer Bespitzelung von staatlicher Seite entziehen«, sagte die Richterin. »Das steht alles auf sehr wackligen Beinen, Detective. Haben Sie sonst nichts mehr? Ich könnte noch etwas mehr gebrauchen.«
Rider sah Bosch kurz mit großen Augen an. Ihre noch kurz zuvor geäußerte Zuversicht begann sie im Stich zu lassen. Die hatte bereits alles in den schriftlichen Antrag und in ihre verbalen Argumente gepackt. Was war jetzt noch übrig? Bosch räusperte sich und beugte sich vor, um zum ersten Mal das Wort zu ergreifen.
»Die früheren kriminellen Aktivitäten, an denen er mit dem Mann beteiligt war, mit dem er jetzt zusammenlebt, waren Hassverbrechen, Euer Ehren. Diese beiden Männer haben eine Menge Leute bedroht und ihnen Schaden zugefügt. Eine Menge Leute.«
In der Hoffnung, den Druck wenigstens ein bisschen erhöht zu haben, lehnte sich Bosch wieder zurück.
»Und wie lang liegen diese Straftaten zurück?«, fragte die Richterin.
»Verfolgt wurden sie in den achtziger Jahren«, sagte Bosch. »Aber niemand weiß, wie lange sie später noch damit weitergemacht haben. Jedenfalls stecken diese beiden Männer weiterhin unter einer Decke.«
Die Richterin sagte wieder eine Minute lang nichts. Sie schien noch einmal die Zusammenfassung von Riders Antrag zu lesen. Dann ging auf der Seite ihres Schreibtisches ein rotes Lämpchen an. Das bedeutete, dass jetzt die Verhandlung beginnen konnte, die in ihrem Gerichtssaal angesetzt war. Alle Anwälte und Parteien waren anwesend.
Schließlich schüttelte Judge Demchak den Kopf.
»Ich finde einfach nicht, dass das genügt, Detectives. Sie haben ihn mit der Tatwaffe in Verbindung gebracht, aber nicht am Tatort. Er könnte die Waffe Tage oder Wochen vor dem Mord benutzt haben.«
Sie wedelte mit der Hand abschätzig über die vor ihr ausgebreiteten Papiere.
»Der Punkt, dass er in ein Autokino eingebrochen ist, in dem das Opfer und ihre Freundinnen oft waren, ist bestenfalls weit hergeholt. Sie bringen mich hier ganz schön in Verlegenheit, denn Sie bitten mich, etwas zu unterschreiben, was einfach nicht da ist.«
»Es ist da«, sagte Bosch. »Wir wissen, dass es da ist.«
Rider legte ihm die Hand auf den Arm, eine Warnung, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Ich sehe das nicht so, Detective«, sagte Demchak. »Sie bitten mich, Ihnen aus der Patsche zu helfen. Sie haben keinen hinreichend wahrscheinlichen Grund und bitten mich, darüber hinwegzusehen. Das darf ich nicht. Nicht unter diesen Umständen.«
»Euer Ehren«, sagte Rider. »Wenn wir diesen Antrag nicht unterschrieben kriegen, entgeht uns die einmalige Chance, die dieser Zeitungsartikel für uns darstellt.«
Die Richterin lächelte sie an.
»Das hat nichts mit mir und mit dem zu tun, was ich hier tun muss, Detective. Das wissen Sie sehr wohl. Ich bin nicht der verlängerte Arm der Polizei. Ich bin unabhängig, und ich muss mich mit den Fakten des Falls auseinander setzen, wie sie mir dargelegt werden.«
»Das Opfer war gemischtrassig«, sagte Bosch. »Dieser Kerl ist ein aktenkundiger Rassist. Er hat diese Waffe gestohlen, und sie wurde verwendet, um ein gemischtrassiges Mädchen zu ermorden. Der Zusammenhang liegt doch auf der Hand.«
»Aber es ist kein Zusammenhang von Beweismitteln, Detective. Es ist ein angenommener Zusammenhang von Indizien.«
Bosch starrte die Richterin kurz an, und die Richterin starrte zurück.
»Haben Sie Kinder, Judge?«, fragte er.
Das Gesicht der Richterin rötete sich.
»Was hat das hiermit zu tun?«
»Euer Ehren«, schaltete sich Rider ein. »Wir kommen damit noch einmal her.«
»Nein«, sagte Bosch. »Nein, wir kommen damit nicht noch einmal
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