Vergessene Stimmen
steckte die Bewährungsunterlagen in ihre Tasche zurück.
»Klar.«
In den nächsten drei Minuten erzählte ihr Bosch von seinem Besuch in Garcias Büro, von dem Zeitungsinterview und was ihm der Commander am Schluss enthüllt hatte.
»Glaubst du, er hat dir alles erzählt?«, fragte Rider.
»Meinst du, wie viel er darüber wusste, was damals ablief? Nein, sicher nicht. Aber er hat mir so viel erzählt, wie er mir zu erzählen bereit war.«
»Ich würde sagen, er muss an diesem Deal beteiligt gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Partner einen Deal macht, von dem der andere nichts weiß. Nicht bei einer Sache in dieser Größenordnung.«
»Nehmen wir also an, dass er eingeweiht war. Warum bittet er dann Pratt, die DNS durch die DOJ-Datenbank laufen zu lassen? Hätte er dann nicht einfach weiter darauf gesessen, wie er das siebzehn Jahre lang getan hat?«
»Nicht unbedingt. Ein schlechtes Gewissen macht sich oft auf die seltsamste Weise bemerkbar, Harry. Vielleicht hat diese Geschichte Garcia schon die ganze Zeit belastet, und um seine Schuldgefühle zu besänftigen, beschloss er, Pratt anzurufen. Und angenommen, er war damals an dem Kuhhandel mit Irving beteiligt: Möglicherweise dachte er, sein Anruf könnte nun keine Konsequenzen mehr für ihn haben, weil ja Irving vom neuen Chief längst aufs Abstellgleis geschoben worden war.«
Bosch dachte an Garcias Reaktion auf seine Bemerkung, dass Green vielleicht diejenigen keine Ruhe gelassen hatten, die er hatte davonkommen lassen. Vielleicht war Garcia deshalb so hochgegangen, weil er derjenige war, dem sie keine Ruhe ließen.
»Ich weiß nicht«, sagte Bosch. »Vielleicht …«
Boschs Handy begann zu läuten. Als er es aus der Tasche zog, sagte Rider: »Stell das lieber ab, bevor wir reingehen. Das ist etwas, was Judge Demchak partout nicht leiden kann. Ich habe von einem Staatsanwalt gehört, dem sie deswegen mal das Handy konfisziert hat.«
Bosch nickte und klappte sein Handy auf und sagte Hallo.
»Detective Bosch?«
»Ja.«
»Hier Tara Wood. Waren wir nicht verabredet?«
Noch bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, fiel Bosch ein, dass er das Treffen bei CBS und den Teller Gumbo, den er sich zum Lunch hatte genehmigen wollen, vergessen hatte. Ihm war nicht einmal Zeit zum Mittagessen geblieben.
»Tara, es tut mir aufrichtig Leid. Es ist etwas dazwischen gekommen, und wir konnten nicht weg. Ich hätte Sie anrufen sollen, aber ich habe einfach nicht mehr daran gedacht. Wir müssten einen neuen Termin vereinbaren, falls Sie jetzt überhaupt noch mit mir reden wollen.«
»Kein Problem. Es ist nur so, dass ein paar Autoren der Serie hier waren. Sie hätten gern mit Ihnen gesprochen.«
»Von welcher Serie?«
» Cold Case . Wissen Sie nicht mehr? Ich habe Ihnen doch erzählt, wir …«
»Doch, natürlich, die Serie. Also, das tut mir wirklich Leid.«
Inzwischen tat es Bosch aber nicht mehr so Leid. Sie hatte versucht, das Gespräch mit ihm für irgendwelche Publicity-Zwecke auszuschlachten. Er fragte sich, ob sie überhaupt noch etwas für Rebecca Lost empfand. Als könnte sie seine Gedanken lesen, erkundigte sie sich nach dem Stand der Ermittlungen.
»Tut sich in dem Fall etwas? Ist das der Grund, weshalb Sie nicht hier waren?«
»Gewissermaßen. Wir kommen voran, aber es gibt nichts, was ich Ihnen im Moment … Das heißt, da ist doch etwas. Haben Sie noch mal über den Namen nachgedacht, den ich Ihnen gestern Abend genannt habe? Roland Mackey? Ist Ihnen noch etwas dazu eingefallen?«
»Nein, nach wie vor nicht.«
»Ich habe noch einen. Wie sieht es mit William Burkhart aus? Wahrscheinlich Bill Burkhart?«
Wood überlegte, und es trat ein längeres Schweigen ein.
»Nein, tut mir Leid. Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne.«
»Und wie ist es mit Billy Blitzkrieg?«
»Billy Blitzkrieg? Soll das ein Witz sein?«
»Nein, wieso? Kennen Sie ihn?«
»Nein, natürlich nicht. Hört sich nach einem Heavy-Metal-Rocker oder so etwas in der Art an.«
»Nein, das ist er nicht. Jedenfalls, diese beiden Namen sagen Ihnen wirklich nichts?«
»Nein, leider nicht, Detective.«
Bosch schaute auf und sah eine Frau, die ihnen von der offenen Tür des Richterzimmers zuwinkte. Rider sah ihn an und fuhr mit einem Finger über ihre Kehle.
»Hören Sie, Tara, ich muss jetzt Schluss machen. Ich rufe Sie bei der ersten Gelegenheit wegen eines neuen Termins an. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, und ich melde mich, sobald ich kann.
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