Vergib uns unsere Sünden - Thriller
»Da draußen erleben Sie die Anfänge einer Welt, in der Sie nicht mehr leben möchten. Uns erwartet eine Welt, in die keiner mehr ein Kind setzen will. Die Menschen scheißen auf den Planeten, sie scheißen auf alles außer Geld und Sex und Drogen und noch mehr Geld und noch mehr Sex. Die Menschen müssen endlich aufwachen, verstehen Sie? Stattdessen verrammeln sie sich das Hirn mit Fernsehen und wer weiß was noch, bis sie die Augen nicht mehr aufkriegen, um zu sehen, was um sie herum geschieht. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?«
Ich nickte.
»Gar nichts verstehen Sie«, sagte er.
Wir saßen im Seitenflügel eines der Hauptgebäude. Vor dem Fenster gingen Menschen vorbei.
»Sie sind einer von denen da draußen, mein Freund«, sagte Dennis Powers. »So lange, bis Sie zum ersten Mal da unten gewesen sind und gesehen haben, zu was Menschen fähig sind … Himmel, Sie haben ja keine Ahnung.«
Ich schwieg.
»Ich gebe Ihnen ein Schießeisen«, sagte Dennis. »Ich drücke Ihnen ein Schießeisen in die Hand und beame Sie in die neunzehnhundertzwanziger Jahre zurück, okay? Irgendwo nach Europa - sagen wir nach Österreich oder Deutschland -, und ich zeige Ihnen eine Bar und sage, in der Bar sitzt ein Mann, und Sie gehen da jetzt rein, ziehen das Schießeisen aus der Tasche und ballern dem Drecksack, der da an der Theke sitzt und sein Bier süffelt, das Hirn weg.« Dennis schwieg und sah mich an. »Das sage ich zu Ihnen, und Sie würden das für mich tun, okay?«
Ich lachte nervös. »Nein«, sagte ich, »ich würde es nicht für Sie tun.«
»Und wenn ich Ihnen sage, dass der Kerl in der Bar Adolf Hitler ist, und Sie gehen da rein, sehen ihn vor seinem Bier sitzen, und Sie haben eine 38er in der Hosentasche … was tun Sie?«
Ich lächelte, nickte. »Ich geh zu ihm hin und schieße ihm in den Kopf.«
»Kein Zweifel?«
Ich schüttelte den Kopf: »Absolut kein Zweifel.«
»Warum?«
Es lag auf der Hand. »Ich kann zwanzig, vielleicht dreißig Millionen Menschen das Leben retten, wenn ich Adolf Hitler töte«, antwortete ich.
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.«
Powers nickte langsam. »Gut. Also gut, da hätten wir jetzt einen Maßstab für so etwas. Adolf Hitler, keine Frage, oder?«
»Nein.«
»Und Stalin, was ist mit dem?«
»Der auch, keine Frage.«
»Und Dschingis Khan, Caligula, Nero, Kaiser Wilhelm?«
»Was weiß ich, ja … Himmel, sie alle, glaube ich.«
»Und Churchill?«
»Churchill? Nein, doch nicht Winston Churchill«, erwiderte ich.
»1914 kannte man ihn als den ›Schlächter von Belfast‹«, sagte Powers. »Er stationierte das Dritte Kampfgeschwader vor Ulsters Küste. Dann schickte er Kriegsschiffe in den Hafen und ließ die Stadt beschießen …«
Ich schüttelte den Kopf. »Jetzt stellen Sie ein paar negative Ereignisse über eine bedeutend größere Zahl von positiven.«
»Sie finden also, man sollte sich die Handlungen solcher
Leute erst einmal im Licht der Geschichte betrachten und das Gute, das sie getan haben, gegen das Schlechte abwägen, und wenn sie mehr Schaden angerichtet haben …«
Ich lächelte. »Ist es ohnehin zu spät, noch etwas dagegen zu tun.«
»Eben«, sagte Powers. »Womit wir bei der Frage wären, wer die Entscheidung über solche Dinge trifft und wann sie getroffen wird.«
»Falls es überhaupt zu solchen Entscheidungen kommen kann«, erwiderte ich.
Powers blickte zum Fenster, und noch bevor er sich wieder umdrehte, sagte er mit leiser Stimme. »Zu solchen Entscheidungen kommt es. Sie werden getroffen, und es gibt auch die Leute, die sie treffen, und in diesem Moment werden keine dreihundert Meter von hier solche Entscheidungen getroffen, und wenn sie getroffen sind, werden Leute losgeschickt, die sich um die Konsequenzen solcher Entscheidungen kümmern … Und jetzt sage ich Ihnen etwas, John …« Powers drehte sich um und sah mich direkt an. »Diese Leute haben ein großes Interesse an der Rolle, die Sie bei solchen Konsequenzen spielen könnten.«
»Ich soll dabei eine Rolle spielen? Was meinen Sie damit?«
»Sie sind kein Idiot«, sagte Powers. »Sie wissen, was hier in den letzten Wochen passiert ist. Leute, mit denen zusammen Sie hergekommen sind, sind nicht mehr da, richtig? An einem Tag sieht man sie noch, am nächsten sind sie weg, weil sie’s nicht geschafft haben. Sie sind noch hier und sitzen mir gegenüber, und ich fordere Sie auf, eine Entscheidung zu treffen, und wie es aussieht, ist das die wichtigste Entscheidung, die Sie je
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