Vergib uns unsere Sünden - Thriller
getroffen haben. Wenn Sie den einen Weg einschlagen, wählen Sie ein Leben, an das sich später die Erinnerung lohnt, schlagen Sie den anderen Weg ein … Na ja, wenn Sie den anderen Weg gehen, wählen Sie ein Leben, das Sie selbst gestalten können, aber es wird in keiner Weise
mit dem Leben zu vergleichen sein, das Sie hätten führen können.«
Zunächst schwieg er, dann lächelte er verständnisvoll. »Das Mädchen, mit dem Sie gehen - wie heißt es?«
Ich antwortete nicht.
»Ach, kommen Sie, John«, sagte Powers. »Glauben Sie im Ernst, hier könnte irgendetwas vor sich gehen, ohne dass wir darüber Bescheid wissen? Sie heißt Catherine Sheridan.«
»Wenn Sie es wissen, weshalb fragen Sie?«
Powers lachte. »Sie müssen ein paar Mauern einreißen, mein Freund. Sie müssen lernen, Vertrauen zu haben. Zu Lawrence Matthews haben Sie Vertrauen, richtig?«
»Allerdings«, antwortete ich.
»Und zu Don?«
»Don Carvalho … Ja, ich habe Vertrauen zu ihm. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was er sagt, aber …«
»Vertrauen und Einverständnis sind zwei Paar Schuhe. Wir müssen nicht alle die gleiche Meinung über die Welt haben. Du lieber Gott, das wäre ja furchtbar, wenn wir alle einer Meinung wären! Nein, ich wollte damit nicht sagen, dass wir alle derselben Ansicht sein müssen, es geht darum, dass genug Konsens vorhanden ist, um in einer Sache zu einer Entscheidung zu kommen, und dann kann man losgehen und etwas dagegen tun.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Mittelamerika.«
»Mittelamerika?«
»Sicher, warum denn nicht? Eine wunderbare Region. Zur Zeit’n Scheißkriegsgebiet, aber sonst eine herrliche Region.«
»Und?«
»Ihre Freundin geht im Juli da runter.«
»Sie ist nicht meine Freundin.«
»Okay, okay, Catherine Sheridan, die Sie gerne als Freundin hätten, geht im Juli dorthin.«
»Warum?«
»Weil wir sie dort unten brauchen.«
»Wozu?«
»Um dort ein paar Dinge ins Lot zu bringen. Ihre Rolle in dem Spiel zu spielen. Zu tun, was in ihren Kräften steht. Vor allem aber, weil sie wirklich da runtergehen will.«
»Und warum erzählen Sie mir das?«
»Weil ich denke, dass Sie mit ihr gehen sollten.«
»Warum sollte ich, verdammt noch mal, nach Mittelamerika gehen?«, fragte ich herausfordernd, einfach deshalb, weil ich Lust hatte, ihn herauszufordern.
»Warum Sie runter nach Mittelamerika gehen sollten?« Dennis Powers lächelte vielsagend. »Um dem Arschloch Adolf Hitler das Hirn wegzublasen. Deshalb.«
21
»Gestern Nachmittag«, sagte Miller, »ungefähr um Viertel vor fünf wurde Natasha Joyce in ihrer Wohnung in den Projects zwischen Landover Hills und Glenarden Street ermordet aufgefunden. Sie wurde neunundzwanzig Jahre alt und hinterlässt eine Tochter namens Chloe. Es gibt keinen Ehemann, keinen aktuellen Freund. Der Vater ihrer Tochter, ein Junkie namens Darryl King, wurde im Oktober 2001 getötet.«
Miller ließ den Blick über die Männer schweifen, die ihm gegenübersaßen. Mit allen Wassern gewaschene Veteranen, jeder Einzelne an solche Dinge gewöhnt. Nichts Außergewöhnliches. Jemand wird ermordet. Eine schwarze Frau in den Projects, alleinerziehende Mutter, Vater tot, niemand hat sich um sie gekümmert, sich um sie Sorgen gemacht, und wahrscheinlich kommt niemand außer der Tochter zu ihrem Begräbnis.
Miller räusperte sich. »Und das kurz nach dem Mord an Catherine Sheridan vor vier Tagen, die in ihrem Haus Columbia Street North West tot aufgefunden wurde. Wie Sie wissen, haben die Zeitungen dem Kerl einen Namen gegeben, ihn Schnurmörder getauft. Weil er jedem seiner Opfer eine Schnur um den Hals gebunden hat. Er schlägt sie brutal, erwürgt sie, hinterlässt die Schnur. Beim letzten Opfer fehlt die Schnur, aber die Frau stand in direktem Zusammenhang mit den Ermittlungen. Gut möglich, dass die Tatsache, dass wir sie vernommen haben, den Mörder auf sie aufmerksam gemacht hat.«
Einer der Streifenbeamten hob die Hand. »Sind irgendwelche Verbindungen zwischen den Opfern bekannt?«
»Indizien, nichts Konkretes. Wir wissen von einem nicht identifizierten Mann, Alter ungewiss, grob geschätzt zwischen Anfang vierzig und Mitte fünfzig, der offenbar vor fünf Jahren in Begleitung des vierten Opfers gesehen wurde. Natasha Joyce hat diesen Mann mir und Al Roth gegenüber als Catherine Sheridans Begleiter bei mehreren Besuchen in den Projects im Glenarden District im September und Oktober 2001 identifiziert. Sie waren dorthin gekommen, um mit Natasha
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